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das gewebe literarischer erfahrung - Dr. Jörg-Dietrich Steitz ...

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3 Literaturdidaktische Interaktionsfiguren – eine systematische Rekonstruktion 157<br />

Müller-Michaels’ in der Perspektive des Subjekts formulierte Überlegungen<br />

implizieren <strong>das</strong> grundlegendere Problem der normativen Orientierung jedweder Didaktik,<br />

die mit der Ausrichtung auf eine wie auch immer bestimmte Norm gleichfalls<br />

eine Sinnorientierung erhält. In den Worten Müller-Michaels’ klingt dieses<br />

Problems allerdings eher wie die Apologie eines lebenspraktisch notwendigen<br />

Selbstbetrugs der Pädagogen, den ein externer und pädagogisch-unverstrickter Blick<br />

immer leicht als Illusion entlarven kann. Klaus-Michael Bogdals Kritik an den illusionistischen<br />

Verstrickungen der Literatur-Vermittler (vgl. Bogdal 1999 sowie oben<br />

S. 152f) kann in diesem Sinne verstanden werden.<br />

Dekonstruktivistische bzw. postmoderne Positionen innerhalb der Literaturdidaktik<br />

können die Frage nach dem Sinn und den Bedeutungen nicht abschaffen, benötigen<br />

sie doch wenn auch nur vorübergehende Antworten als Voraussetzung ihrer selbst.<br />

Doch auch jenseits der kritischen Perspektive des Dekonstruktivismus kann Literaturdidaktik<br />

sich weder auf die bloße Parallelität beliebiger Konstruktionen von Bedeutungs-<br />

und Sinneinheiten beschränken, noch kann sie <strong>das</strong> Bedürfnis der Schüler<br />

nach eindeutigem Verstehen als illusionistisches Verlangen abtun.<br />

„Eine (Literatur-)Didaktik, die sich diese Perspektive (Irreduzibilität des Anderen<br />

und Interesse am Heterogenen, StK) zu eigen macht, muß <strong>das</strong> Bedürfnis<br />

der Schülerinnen und Schüler, Einheiten wahrzunehmen und Sinnzuschreibungen<br />

vorzunehmen, zwar ernst nehmen, doch sie muss auch »repressive Beschränkung<br />

von Kunst auf den Ausdruck ausschließlich solcher Einheit«, die<br />

Vereinnahmung kultureller Phänomene auf Identitätskonzepte, zurückweisen<br />

(...).“ (Kammler 1999, 240)<br />

Kammler spricht vom „Respekt für die Differenz“ (ebd.), womit weder Sinn noch<br />

Identität als normative Orientierung der Literaturdidaktik aufgegeben werden müssen.<br />

Gleichwohl gilt es eine konventionelle Bedeutungsgenerierung von einer postkonventionellen<br />

Kompetenz der Sinnkonstitution zu unterscheiden. Somit gewinnt<br />

auch die postmoderne und dekonstruktivistische Literaturdidaktik eine allgemeine<br />

Entwicklungsperspektive. Die kritische Bewegung gegen hegemoniale Vereinnahmung<br />

kultureller Phänomene zielt auf eine literar-ästhetischen Praxis des Offenhaltens<br />

der Bedeutungen, der Unabgeschlossenheit des Sinns und der Unendlichkeit der<br />

Differenz. Als solchermaßen bestimmte literar-ästhetische Praxis hat es Literaturdidaktik<br />

aber eben nicht nur mit kulturellen Objektivationen zu tun, sondern setzt notwendig<br />

auch Subjekte voraus, für die genau diese literar-ästhetische Praxis eine<br />

Entwicklungsperspektive darstellt.<br />

Trotz der häufig wiederholten Konzentration auf die Texte, die „Schrift“, und trotz<br />

des Versuchs, die Idee der Subjektivität und der Identität zu dispensieren und im<br />

Sinne der literaturdidaktischen Interaktionsfigur der Wissenschaftsorientierung als<br />

Illusion zu entlarven, bleiben die Subjekte Träger einer literar-ästhetischen Praxis,<br />

ohne die auch die Dekonstruktion nicht auskommt. Die qualitative Perspektive dieser<br />

literar-ästhetischen Praxis, die sich hinter der kritischen Wendung auftut, lässt

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