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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 123<br />

übereinstimmte. Der Tschassowoj begann zu fluchen und zählte noch mal nach.<br />

Unsere Schelme wiederholten das Spiel, bis der unglückliche Rechner losbrüllte<br />

und seinen Kopf mit Fäusten traktierte.<br />

Da intervenierte der Starsch: „Was ist denn, Kumpel? Warum machst du<br />

denn so’n Krach? Hier hast du die Mannzahl des Zimmers!“, und reichte ihm ein<br />

Stück Papier mit einer Zahl drauf. „Nimm da und lass uns in Ruhe!“<br />

Diesmal verlief die Zählung normal. Da die Kälte erträglich war, spazierten<br />

wir über den „Korso“, die Hauptallee des Lagers, und ich sah voller Freude eine<br />

Reihe von Regimentskameraden und -freunden wieder. Allen voran fand ich<br />

Furtun\ wieder, meinen Wechsel von der Spitze und meinen Alternativpartner in<br />

der Partie Panzer gegen Haubitzen aus den Tagen vor der Kapitulation, von dem<br />

mich das Meer der Soldaten am Grunde des Kessels von Klezkaja getrennt<br />

hatte; dazu Radu Popescu, Weiß, nunmehr Albu, Tiberiu Dragomirescu, vor<br />

allem aber sah ich auch meinen guten Freund Mihai R\ducanu wieder, mit dem<br />

mich nicht bloß eine Menge schwerer Momente aus der Odessa-Kampagne<br />

verbanden, sondern auch gewisse Affinitäten und Neigungen.<br />

Sie hatte der Zufall, genau wie auch Furtun\, in andere Kolonnen geworfen<br />

(eingangs waren sie auch 10000 gewesen, zum Schluss aber waren sie, auf dem<br />

Verladebahnhof, nur noch 2000-3000 Überlebende) und durch andere<br />

Transitlager geführt (Libidiansk, Riasan; andere gelangten ich weiß nicht durch<br />

welche Kapricen des Zufalls nach Susdal oder Karaganda in Zentralasien). Ihre<br />

Geschichten waren, unwesentliche Abweichungen ausgenommen, im G<strong>ro</strong>ßen<br />

und Ganzen der meinen ähnlich. Es fehlten weder die Schlusswachkette des<br />

Todes, dahinter niemand lebend zurückbleiben durfte, noch die<br />

halluzinatorischen Phänomene der ersten Marschnacht, weder die<br />

Zusammenstöße auf Leben und Tod beim ersten B<strong>ro</strong>tauto, noch all jene, die<br />

nach dem Aufbruch aus dem Nachtlager im Weiß der Steppe verstreut<br />

zurückblieben, um ihren Nachtschlaf in der Ewigkeit fortzusetzen, auch fehlten<br />

nicht die perfekten Stapel von nackten Kadavern auf den Bahnhöfen, wo die<br />

Todeszüge hielten. Von all den Geschichten, die ich damals und dann auch<br />

später von diesem Höllenmarsch bis zum ersten Verladebahnhof hörte, prägten<br />

sich mir aus der Summe von Schrecknissen und Wahnsinn folgende beiden tief<br />

ein: jene von Constantin (Puiu) Atanasiu und jene von Victor Clonaru, beide<br />

Reserveoffiziere und Rechtsanwälte im Zivilleben.<br />

Hier die von Puiu erzählte Geschichte! „Die Umstände wollten es, dass ich<br />

als Einzelner in Gefangenschaft fiel. Und zwar wie folgt: An einem nebligen<br />

Morgen hatten die Russen uns, die wir noch zusammengeblieben waren,<br />

Rumänen und Italiener, in einem Unkrautfeld umzingelt. Auf ihre Aufforderungen<br />

hin warfen alle ihre Waffen nieder, verließen das Unkrautfeld mit erhobenen<br />

Händen und ergaben sich. Außer mir, der ich mich schlauer dünkte und liegen<br />

blieb, aus der Überlegung heraus, das Unmögliche zu versuchen: mich nachts<br />

bis dahin zu schleichen, wo ich, nach dem Kanonendonner zu schließen,<br />

glaubte, unsere oder italienische bzw. deutsche Einheiten zu finden. Ich kam<br />

aber nicht dazu, meinen Plan durchzuführen, denn nach etwa drei, vier Stunden<br />

tauchte eine Kette von Schützen auf, welche das dichte Unkraut mit MP-<br />

Schüssen durchforschten. Sie suchten mich. Was blieb mir denn anderes übrig,<br />

als mich zu ergeben? Nachdem sie mir ein paar Gewehrkolbenschläge auf den

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