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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 10<br />

bedeutete dieser Fall für uns alle auch einen größeren oder kleineren<br />

Zusammenbruch in unserer eigensten moralischen Entität, der für manche die<br />

Berührung mit dem niedrigsten Stand des Menschseins, an der Schwelle zum<br />

Animalischen, mit sich brachte. Die Gründe dieses Zusammenbruchs lagen in<br />

den Grenzsituationen, in die wir Gefangene gestoßen worden sind.<br />

Die ermüdenden Märsche durch die von Schneestürmen gepeitschten<br />

Steppen, auf all den von den Kadavern derer abgesteckten Wegen, die nicht<br />

mehr Schritt halten konnten, die unablässige und irremachende Kälte, der<br />

Hunger, der unsere Eingeweide zerriss und unseren Geist verdunkelte, welcher<br />

die zwischenmenschlichen Beziehungen, vor allem in den Reihen der Truppen,<br />

verwildern ließ, die Transporte in den Viehwaggons des weißen Todes, das<br />

erstickende Gedränge, die Läuse und der Typhus, die Ausladung auf den<br />

Bahnhöfen von hunderten von Kadavern, vor allem aber das Fehlen einer<br />

Perspektive und die Verzweiflung… das ist die Staffel von biblischen Plagen und<br />

Unheil, mit denen wir vom Augenblick unseres Falles an konf<strong>ro</strong>ntiert wurden!<br />

Aber kaum dass wir diesen «Schmerzensberg» erklommen hatten und in<br />

den Lagern angekommen waren, wo wir gar nicht erst Zeit hatten, wieder zu<br />

Besinnung zu kommen, die Wunden des Leibes und die Traumen der Seele zu<br />

pflegen, als uns bereits eine ungewöhnliche Raubspezies in Angriff nahm, jene<br />

der Politkommissare, welche vermittels der wissenschaftlich-diabolischen<br />

Manipulierung all der Faktoren, die Druck auf uns ausübten, wie… F<strong>ro</strong>st, Hunger<br />

(zu denen sie Zwangsarbeit, Karzer, Ter<strong>ro</strong>r, Denunziation hinzufügten), eine<br />

allumfassende Aktion starteten, uns politisch anzuwerben. So gelang es ihnen,<br />

im Schoße unserer rumänischen Gemeinschaft einen malignen Tumor<br />

hervorzurufen, der das Regelwerk unserer Existenz zerstörte, bis zu ihrer<br />

endgültigen Loslösung von uns. Es geht um jene kläglichen Kohorten von toten<br />

Seelen, den so genannten Freiwilligendivisionen, die von den Sowjets in den<br />

Lagern gegründet wurden, um auf ihren Panzern das furchtbarste<br />

Vernichtungsexperiment, dem jemals Leib und Seele einer menschlichen<br />

Gemeinschaft unterzogen worden sind, um den Kommunismus in unser Land<br />

zu bringen.<br />

Ihre Mission war es, den Repressionsapparat unseres Landes, in das die<br />

Abnormalität einer Gesellschaftsordnung durch Gewalt eingeführt und durch<br />

Ter<strong>ro</strong>r aufrechterhalten werden sollte, zu ergänzen, da diese<br />

Gesellschaftsordnung aus eigener Kraft heraus nicht einen einzigen Tag lang<br />

hätte bestehen können, eine Mission, die sie mit aller Schuftigkeit erfüllt haben.<br />

Durch welche Verfahrensweisen es denn gelungen sein mag, gewöhnliche<br />

Menschen in Organe der bolschewistischen Folter für unser Land zu verwandeln,<br />

bleibt eine offene Frage. Auf uns jedoch, auf jene, die wir uns auf der anderen<br />

Seite der Barrikaden befanden und die Mehrheit stellten, hatte dieser<br />

Anwerbungsp<strong>ro</strong>zess – durch Mittel, die uns alle betrafen – eine traumatische und<br />

langzeitliche Wirkung, die dazu führte, dass wir in einem permanenten Angst-<br />

und Alarmzustand lebten. Vor allem auch wurden damals die zartesten Ressorts<br />

unseres gegenseitigen Vertrauens zutiefst zerrüttet.<br />

Als wir jeden Tag Überläufe von Leuten, von denen wir dies niemals<br />

erwartet hätten, ins feindliche Lager mit ansehen mussten und als wir

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