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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 291
fälschlicherweise aus der Tatsache, dass, wenn zwei Phänomene zeitlich
aufeinander folgen, ersteres die Ursache des letzteren sei. (Enttäuschte Blicke in
den Reihen des ungebetenen Publikums.) Um ein Beispiel zu geben», fuhr der
Professor unbarmherzig fort, «manche Menschen haben festgestellt, dass es
Tag wird nach dem Hahnenschrei und haben daraus den Schluss gezogen, dass
das Krähen des Hahnes der Grund dafür ist, dass es Tag wird. Und weil es auf
der Welt auch Menschen gibt, die gerne möchten, dass es nie mehr Tag werde,
beschlossen diese, alle Hähne zu schlachten. Aber es ist eindeutig: Egal wie
viele Hähne geschlachtet werden, Tag werden wird es dennoch!! Auf diese
letzten, in prophetischem Ton gesagten Worte hin, erhob sich der ganze Saal
und applaudierte ausgiebig, ohne dass jemand etwas dagegen tun konnte. Dies
war Naes Stil. Unvorhersehbar“, schloss Petric\. Seine Geschichte wühlte mich
gewissermaßen auf, denn auch ich, damals im II. Studienjahr Philosophie, hatte
an dieser denkwürdigen Vorlesung teilgenommen.
Aber während wir hier auf unseren Pritschen Geschichten und
akademische Diskussionen genossen, kochte das Lager draußen. Unsere
Kameraden, Protestler wie auch wir, die aber von der Verwaltung nicht
weggeschlossen worden waren, forderten unsere Freilassung aus dem
Isolierungsraum oder aber die gleichen Sanktionen auch für sich, erklärten sie
sich doch vollkommen solidarisch mit unserer Aktion. Wie es scheint, hieß die
Verwaltung die zweite Variante gut und steckte unsere Partisanen in den Karzer.
Dort verloren diese keineswegs den Kopf, sondern traten sofort in den
Hungerstreik (Golodowka) und ließen uns die Aufforderung zukommen, das
Gleiche zu tun. Wir meldeten unseren hochrangigen Offizieren die Botschaft der
Karzerinsassen, und erklärten uns alle, angefangen mit Oberst Stelic\
Dumitrescu, damit einverstanden. Prinzipiell beschloss man, am nächsten
Morgen den Streik auszulösen. An diesem Abend sollten bis zum Schlafengehen
die notwendigen Zustimmungen eingesammelt werden, aber leider erhielt unsere
Aktion nicht die Einstimmigkeit, mit der wir gerechnet hatten. Dagegen waren vor
allem die Leute aus M=n\st=rka. Die erste Ablehnung kam vom römischkatholischen
Priester Popa, dem sich auch ein orthodoxer Pfarrer aus der
Moldau anschloss (sein Name ist mir entfallen). Der von ihnen angeführte
Grund? Ihrer Meinung nach war der Hungerstreik eine Form des Selbstmords.
Allein, die christliche Religion lehnt den Selbstmord ab. Pfarrer Bejans doktrinäre
Intervention war vonnöten, damit diese falsche Interpretation nicht auch die
weniger geistig Gefestigten mit einem theologischen Pseudo-Argument
ansteckte. Die beiden aber ließen sich nicht umstimmen.
Es enthielten sich des Hungerstreiks auch andere noch, weil es eine
überhastete Entscheidung sei oder aber aus Gesundheitsgründen – darunter
auch welche von uns „Orankiern“. Die Mehrheit jedoch, sogar welche, die noch
zögerten, wählte den unsicheren und dornigen Weg der Fortsetzung des
Kampfes mittels dieser verzweifelten Form des Hungerstreiks. Am Abend,
nachdem wir die Zustimmungen zählten, kamen wir auf etwa 60 Personen.
Gut auch soviel! Wir gingen daran, alles aufzuessen, was wir noch an
Nahrungsmitteln hatten, um mit leeren Regalen in den Streik zu treten. Damit
uns keiner des Schummelns anklagen konnte. Dann schrieb ein jeder seine
Erklärung auf was er gerade fand – die meisten auf Karton von den