15.01.2013 Aufrufe

radu m|rculescu - Memoria.ro

radu m|rculescu - Memoria.ro

radu m|rculescu - Memoria.ro

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 328<br />

87. DER ISOLATOR VOM „TEUFELSLOCH“<br />

Der Isolator, in den sie uns steckten, lag links vom Lagereingang und<br />

bestand aus einer verfallenen Erdhütte, die von Stacheldraht umgeben war und<br />

von einer Trennwand aus Balken zweigeteilt wurde: der hintere Teil war leer,<br />

während wir den vorderen einnahmen. Alles sah desolat-hässlich aus. Die<br />

Stockbetten waren nicht aus Brettern, sondern aus knorrigen Balken (gerade gut,<br />

um einem zwischen die Rippen zu fahren), und bezogen waren sie mit<br />

schmutzigen, zerlumpten Matratzen, die mit Spreu und zerkleinertem St<strong>ro</strong>h<br />

gefüllt waren. Wärme sollte uns ein als Ofen auftretendes Blechfass sichern, aus<br />

dem ein Rohr durch das Dach ragte, aber so, dass man durch das Loch zugleich<br />

auch die Sterne sehen konnte. Keine Glühbirne, keine Lampe, kein<br />

Feuerholzspan, kein Streichholz. Die Nahrung war karzermäßig, wie alles. Da<br />

man uns keinen Spitzel in diese Höhle mitgegeben hatte, bekamen wir, um ja<br />

nicht der Wachsamkeit des NKVD zu entkommen, einen SS-Leutnant namens<br />

von Schubert, der Chef einer Waldbrigade war, und dem wir uns, dem Kalkül der<br />

Verwaltung nach, der Reihe nach oder gar haufenweise letztlich in die Arme<br />

werfen würden, um aus dieser Hölle zu entkommen. Der Betreffende war korrekt<br />

und höflich uns gegenüber. Schließlich war er ja ein Von. Abends kam er zur<br />

Nachtruhe und morgens ging er zur Arbeit, aber nicht ohne uns vorher dezent<br />

und unaufdringlich einzuladen, mit ihm mitzugehen. Selbstverständlich musste er<br />

der Obrigkeit über unsere geistige Verfassung und über die eventuellen<br />

Ansichtsänderungen in Sachen Arbeit aufgrund der Druck ausübenden Faktoren<br />

sowjetischer Verführungskunst – Hunger, Ter<strong>ro</strong>r, Dunkel, F<strong>ro</strong>st – Bericht<br />

erstatten. Bis dahin aber erfreute sich der arme Mann nachts wenigstens der<br />

gleichen miserablen Lebensbedingungen wie auch wir, die Bestraften. Die<br />

Nächte waren schrecklich – vor allem die erste war ein Inferno. Stockdunkel,<br />

beißende Kälte, und fehlen konnten auch nicht unsere alten Bekannten, die<br />

ausgehungerten Wanzen und Flöhe, die entschlossen waren, mal wieder voll<br />

aufzutanken – mit Blut. Dazu, was für eine Überraschung, wimmelte es in der<br />

Baracke von Ratten, die auf uns hochkletterten, enttäuscht unsere B<strong>ro</strong>tbeutel<br />

durchforschten und nicht selten mit ihrer Schnauze voller legitimer Neugierde an<br />

unserer Nase herumschnüffelten.<br />

Es war bereits Mitternacht vorbei, als an der hinteren Wand ein diskretes<br />

Klopfen zu hören war. Jemand war in den hinteren, leer stehenden Teil der<br />

Erdhütte eingedrungen und versuchte, Kontakt mit uns aufzunehmen. Es war<br />

einer von den rumänischen Offiziere, die wir bei unserer Ankunft hier<br />

vorgefunden hatten, und zwar Aurel Bi]an, Lehrer und ein Freund von L\z\rescu,<br />

einem unserer Jungs. Der Arme war allen Risiken zum T<strong>ro</strong>tz mit einem dicken<br />

Arm Brennholz, mit etwas Pet<strong>ro</strong>leum und Streichhölzern gekommen, die er uns<br />

durch ein Loch durchreichte, das natürlich die Ratten am Fuße der Trennwand<br />

gefressen hatten.<br />

Wir gingen sofort daran, Feuer zu machen und alsbald glühte der<br />

Fassofen <strong>ro</strong>t auf vor Hitze. Der Reihe nach stellten wir uns um ihn herum auf.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!