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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 221<br />

„Recht haben Sie. Allein, was kann man viel sagen in einem halbseitigen Text?<br />

Ich hoffe, Sie erweisen uns die Ehre und kommen zu unserer Premiere. Dann<br />

werden sie sich dessen Rechenschaft geben, wie viel Botschaft in meiner Oper<br />

steckt.“<br />

„Tja, nun gut, Sie haben die Erlaubnis. Aber Sie müssen wissen, es ist das<br />

letzte Mal, dass so etwas auf der Klubbühne akzeptiert wird. Was heißt hier<br />

mittelalterliche Stadtburgen, was heißt hier Illusionen! Die Kunst muss seriös<br />

sein, auf dem Boden der Tatsachen stehen, im Dienste des Volkes und der<br />

Interessen der Arbeiterklasse. Das ist wahre Kunst. Der Rest ist bürgerliche<br />

Dekadenz. Klar, oder?“<br />

Draußen um die Ecke warteten schweigend und besorgt die Jungs auf<br />

mich.<br />

„Wie sieht’s denn aus? Hast du sie bekommen?“ „Ja. Hab’ ich.“<br />

„Hurraaaa!“<br />

Das Sujet des Stückes war, im G<strong>ro</strong>ßen und Ganzen, folgendes: Das<br />

bereits vorgestellte Abenteurertrio hatte sich nach einem erfolgreichen<br />

Beuteschlag in einer benachbarten Stadtburg in den Gasthof „Zur kühlen<br />

Laube“ 110 in Sicherheit gebracht, um sich in einem Dolcefarniente mit<br />

bacchischer Begleitung dem Genuss hinzugeben und neue Beutezüge in der<br />

Gegend zu planen. In der Stadtburg lebten neureiche Kleinbürger, die scharf<br />

darauf waren, ihre Opulenz mit dem Glanz guter Manieren, mit dem der Kultur<br />

und sogar mit jenem der Kunst zu versehen. Um an ihr Ziel zu gelangen,<br />

verschaffen sich die drei Zugang zum Haus der preziösen Eulalia, die Gattin des<br />

senilen Zunftvorstehers Otto Patzac, indem sie sich als Steuereintreiber<br />

vorstellen. Don Giacomo, der sich als Laureat der Schola cantorum ausgibt, wird<br />

Gretti, der Tochter, Cantounterricht und der Mutter Unterricht in Theaterkunst<br />

erteilen. Um den kleinen Hipolit kümmern sich Johannes, der ihn in allen<br />

möglichen Fächern unterrichten, und Don Alfonso, der ihn in die Fechtkunst<br />

einführen wird. Die Abenteurer richten sich im Hause der Patzacs ein, als wäre<br />

es ihre eigene Wohnstatt, und verfügen nach Belieben über das ganze Heim,<br />

einschließlich über die Weinreserven und andere Gaumenfreuden – dies zur<br />

Empörung des Hausherrn Patzac, der, angeekelt von den seinen, auf<br />

Geschäftsreise geht, und zur Verzweiflung Bobs (gespielt von Iord\chescu),<br />

Grettis Verlobter, der seine Geliebte in einem abwegigen Netz von Illusionen<br />

gefangen sieht. Nachdem sie die beiden weiblichen Wesen mit dem Zauber der<br />

g<strong>ro</strong>ßen Sängerin (Gretti) und jenem der g<strong>ro</strong>ßen Tragödin (Eulalia) fasziniert<br />

haben, überlegen sich die Abenteurer, ihre Illusionsflut über die gesamte Burg<br />

auszuschütten. Indem sie ihre Elevinnen davon überzeugen, dass sie einen Grad<br />

der Meisterhaftigkeit erreicht haben, der ihren Bühnenauftritt unabdingbar macht,<br />

schlägt Giacomo die Inszenierung einer Oper vor (auf die von Johannes zu<br />

komponierende Musik und zum Text, den er selber zu schreiben hatte), in der die<br />

beiden Talente ins rechte Licht gerückt werden sollten. In der Oper sollten<br />

sowohl sie, als auch alle anderen des Hauses auftreten, allen voran der kleine<br />

Hipolit als Haudegen. Für die restlichen Rollen (Musiker, Tänzer, Choristen usw.)<br />

110 Im Original: „Bolta rece“ – Anspielung auf einen berühmten Jassyer Weinkeller, in dem u.a. rumänische<br />

Nationalschriftsteller wie Mihai Eminescu und Ion Creang! verkehrten.

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