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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 44<br />

manövrierten inzwischen sowjetische Panzer, und auch auf dem Kamm vor uns,<br />

der das Tal abschloss und wo wir den St<strong>ro</strong>m hätten überqueren sollen, erblickten<br />

wir zu unserer schrecklichen Enttäuschung die gleichen schicksalhaften Panzer.<br />

Der Kreis schloss sich also perfekt ab, und unser Los war endgültig<br />

besiegelt.<br />

Ein verzweifeltes Murmeln ging wie eine Welle von vorne bis hinten durch<br />

diese Menge, die mit letzter Kraft dort angekommen war, wo sie gehofft hatte,<br />

das Ufer der Erlösung zu erreichen, und die nun feststellen musste, dass ihr<br />

auch das letzte Tor zur Freiheit verschlossen worden war.<br />

Es wurde Nacht. Die Menge machte völlig verwirrt Halt. Dann suchte sich<br />

jeder eine Schlafstelle.<br />

Feuer wurden angefacht, und drum herum sammelten sich die<br />

erschöpften und von der Vergeblichkeit all der Tage der Flucht und Hetze<br />

niedergeschlagenen Menschen. Einige höhere Offiziere versuchten, eine „starke<br />

Angriffsformation“ aufzustellen, welche den Kamm stürmen sollte, der uns von<br />

der Brücke trennte.<br />

Sie riefen mit anfeuernden Worten die Soldaten auf, sich in Sturmgruppen<br />

für den entscheidenden und befreienden Angriff einzugliedern. Ein ablehnendes<br />

Gemurmel war die Antwort. Man hörte Buhrufe.<br />

Dieser unsichtbare Faden eines Befehles, der eine Masse von Menschen<br />

durchzieht und ihr das Rückgrat einer Armee verleiht, war gerissen,<br />

verschwunden, und die Armee hatte sich in einen amorphen, unkoordinierten<br />

und jeglichem Kommando gegenüber undurchlässigen Haufen aufgelöst.<br />

Niemand wollte mehr sterben, und schon gar nicht in einem Abenteuer ohne jede<br />

Aussicht auf Gelingen. Auf den uns gegenüber liegenden Kämmen hatte der<br />

Feind Panzer an Panzer in Stellung gebracht, die Kanonen- und<br />

Maschinengewehr<strong>ro</strong>hre auf uns gerichtet, die wir uns am Grunde des Kessels<br />

mit Pferden und Pferdewagen jahrmarktähnlich ineinander drängten. Dies war<br />

die Stellung, die der rumänische Soldat, der mit seinen „sieben Leben in der<br />

ehernen Brust“ 26 , e<strong>ro</strong>bern sollte. (Diese unglücklichen Verse Alecsandris dienten<br />

als Alibi für all den Frust in Sachen Nahrung, Kleidung, Waffen und Munition, den<br />

dieser Soldat im Laufe der Zeit geldgierigen Politikern zu verdanken hatte, besaß<br />

er doch wie jeder Mensch auch nur ein – und nicht sieben – Leben, das nicht auf<br />

törichte Weise aufgeopfert werden darf.)<br />

Dieser verstiegene Aufruf – der, wäre er befolgt worden, zu einem<br />

allgemeinen Massaker geführt hätte – war im Grunde genommen nichts weiter<br />

als ein simples „Getue als ob“ von ein paar hochrangigen Offizieren mit höherer<br />

Verantwortung, die bis dahin zaghaft und unkohärent agiert hatten und nun zum<br />

Schluss den Eindruck hinterlassen wollten – wer weiß für was für eine spätere<br />

mögliche Untersuchung –, dass sie bereit waren, bis zur Aufopferung ihre Pflicht<br />

zu erfüllen. (Und wenn ihnen, Gott ist Zeuge!, die Truppe nicht Folge leistet, was<br />

können sie dann dafür?)<br />

Was aber war zu tun? Diese Frage stellten wir uns alle. Man konnte sie<br />

auch den Blicken meiner Soldaten ablesen. Sollte noch irgendeine Rettung<br />

26 Im Orig.: „Românul are #apte vie"i/ În pieptu-i de aram!!”. Aus dem Gedicht „Pene# Curcanul“ von<br />

Vasile Alecsandri (1821-1890).

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