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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 300<br />

79. EIN SOMMER DER VERHÖRE UND UNTERSUCHUNGEN<br />

Der Sommer ging seinem Ende zu, und wir, weggesperrt hinter mit<br />

Brettern vernagelten Fenstern, hatten nichts davon mitbekommen. Schwer<br />

erholten sich unsere Körper nach den sechs Tagen Hungerstreik. Wie sehr<br />

hätten sie ein bisschen Sonne gebraucht, aber die Sowjetmacht hatte uns auch<br />

diese konfisziert, so wie sie uns das Papier, die Bücher, die Taschenmesser und<br />

vieles andere konfisziert hatte.<br />

T<strong>ro</strong>tzdem aber setzte sich ungefähr Mitte August etwas in Gange – es gab<br />

eine Initiative des Kommissariats zur Entspannung der Lage. Man begann eine<br />

Reihe von Untersuchungen, und wir wurden abends einer nach dem anderen<br />

zum Kommissariat zu einem Gespräch gebracht, welches den Anspruch erhob,<br />

ein freies zu sein, während dessen unter anderem die Frage gestellt wurde,<br />

warum wir die P<strong>ro</strong>testaktion durchgeführt hatten, dann ob wir diese nicht<br />

bereuten und ob wir denn gewillt seien, uns davon loszusagen, und ob wir, sollte<br />

man uns aus der Isolierung befreien, bereit seien, die Lage<strong>ro</strong>rdnung zu<br />

respektieren?<br />

Diese Fragen – quasi Wettbewerbsfragen – kannten wir von den<br />

Verhörten, die, kehrten sie von der Untersuchung zurück, eine öffentliche Beichte<br />

ablegten, so dass ein jeder von uns seine Antworten vorbereiten konnte – dem<br />

eigenen Gewissen entsprechend.<br />

Im Grunde genommen sollten wir alsbald feststellen, dass all diese<br />

Verhöre ein Ziel hatten, und zwar die Auswahl der Radikaleren unter uns, um<br />

einen Transport in ein Straflager vorzubereiten.<br />

Der Leiter der Untersuchungen war Hauptmann Kolbassow, an den sich<br />

einige der Krimler (wie wir jene nannten, die in der Schlacht bei Sewastopol in<br />

Gefangenschaft gefallen waren) als an einen bescheidenen Uhrenmacher in<br />

dieser Stadt erinnerten, der sich dann als ein äußerst geschickter sowjetischer<br />

Spion herausstellen sollte; als ein solcher NKVD-Mann er ja dann auch in den<br />

ersten Lagern, in die die Gefangenen kamen, auftrat. Da er also die Rumänen<br />

direkt kannte und dazu auch die Art und Weise, wie diese sich der Bevölkerung<br />

gegenüber benommen hatten, kannte, wusste er am besten, wie billig die<br />

p<strong>ro</strong>pagandistischen Fabulierungen über die Gräueltaten der faschistischen<br />

Besatzer waren (welche uns in den selben Topf mit den Nazis warfen). Er, der<br />

als Spion alles bemerkt hatte, konnte keineswegs nicht auch die Schlangen der<br />

einheimischen Kinder gesehen haben, die täglich ihr Essen von der<br />

Truppenküche bekamen. Deswegen war er wohl auch offener für einen Dialog<br />

und zurückhaltender mit Anklagen und Anschuldigungen als seine Kollegen.<br />

Eines Abends kam ich auch an die Reihe, von ihm verhört zu werden. Allein, der<br />

Dolmetscher wurde an eine höhere Stelle gerufen, gerade als ich auf dem<br />

Untersuchungsstuhl Platz nahm. Da übernahm diese Aufgabe eine junge Frau<br />

namens Gorbatschowa, von der ich wusste, dass sie für die Deutschen<br />

dolmetschte und gerade auch Rumänischlektionen beim Rumänischlehrer B.<br />

nahm, der dann diesen Unterricht (der sich alsbald in eine Liebesbeziehung

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