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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 479<br />

war nun fast leer. Die wenigen Möbelstücke, die noch da standen, waren<br />

versiegelt, vom Fiskus beschlagnahmt worden wegen unbezahlten Steuern. Die<br />

Gutsfrau war inzwischen von den Kommunisten enteignet worden und arm wie<br />

eine Kirchenmaus.<br />

Zurückgeblieben war bloß noch ein kleiner Teppich, ein Gebetsghiordes,<br />

der etwas Geld eingebracht hätte. „Gut auch der“, sagte sich Mitic\, „wenigstens<br />

mit soviel soll ich nach meiner Mühe bleiben“. Als er ihn aber an sich nehmen<br />

wollte, bemerkte er, dass auch dieser versiegelt war. „Wenn ich ihn mitgehen<br />

lasse, werden diese Schurken sagen, sie habe ihn versteckt und stecken sie in<br />

den Knast, wo sie schnell abkratzen wird und ich habe sie auf dem Gewissen“,<br />

sagte sich Pu[tiu’ und verzichtete resigniert auf den Teppich. Betrübt drehte er<br />

noch ein paar Runden durch den leeren Raum und öffnete die Schublade eines<br />

Nachttischchens, wo die Omas gewöhnlich ihr Geld aufbewahren. Blanke Armut,<br />

bloß ein paar Münzen: Die reichten nicht mal für ein B<strong>ro</strong>t. Traurig fühlte er sich<br />

veranlasst, über das wechselhafte Schicksal zu philosophieren, das aus einer<br />

Bojarin, die gestern reich war, heute zur Bettlerin machte, und zog gerührt aus<br />

seiner Brieftasche einen 500 Lei-Schein und legte ihn in die Schublade. Dann<br />

ging er, wie er gekommen war.<br />

Sicherlich hatte Pu[tiu’ die Geschichte ad hoc erfunden, einfach so „ad<br />

usum Delphini“, also für Pascu und die restlichen „Fans“. Aber sie war schön<br />

erlogen; so schön, dass Pascu vor Gerührtheit nasse Augen bekam. Letztendlich<br />

ist es ja dies, was zählt.

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