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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 529<br />

Töchter – Tag für Tag zum Bahnhof, hierher, an diese Stelle, wo die Gefangenen<br />

freigelassen wurden, um den Erwarteten zu empfangen. Nun war nur noch eine<br />

Handvoll Frauen übrig geblieben.<br />

T<strong>ro</strong>tz der bescheidenen Kleidung, erkannte ich Frau Oberst Nanu, die<br />

Gattin des Kommandanten meiner Artilleriebrigade, der ich im August 1942 beim<br />

Abschiedsessen im Cercul Militar 199 von R=mnicu S\rat am Vorabend unseres<br />

Aufbruchs an die F<strong>ro</strong>nt vorgestellt worden war. Sie erkannte mich auch wieder<br />

und fragte nach ihrem Mann. Was konnte ich ihr schon sagen? Dass er wohlauf<br />

sei und alsbald auch freigelassen werden würde, wo ich doch genau wusste,<br />

dass er noch am gleichen Abend wer weiß für wie lange an den Kanal gebracht<br />

werden sollte? Mit welchem Recht hätte ich diese Frau weiter Tag für Tag mit der<br />

Qual lassen können, hierher, zum Nordbahnhof zu kommen, um vergeblich und<br />

deprimiert auf ihren Gatten zu warten? Ich sagte ihr also die Wahrheit. Gleich<br />

einer wahren Dame nahm sie die schlechte Nachricht ohne Wimpernzucken auf.<br />

„Ich habe mit Ähnlichem gerechnet“, sagte sie zu mir. „Die «Genossen» haben<br />

ihm seine Weigerung, mit ihnen mitzugehen, nicht verzeihen können.“ Sie war<br />

gut informiert über die Haltung ihres Mannes im Lager und war sichtlich stolz<br />

darauf.<br />

„Verehrte Frau“, erwiderte ich, „ich gebe zu, dass ich Ihnen eine schlechte<br />

Nachricht überbracht habe. Aber sie schließt nicht aus, dass sich die Dinge unter<br />

dem Druck der Ereignisse nicht auch zum Guten wenden können“, tröstete ich<br />

sie, noch unter dem Einfluss der D<strong>ro</strong>gen mit euphorischer Wirkung von Radio<br />

London.<br />

„Keinen Moment zweifle ich daran“, sagte sie darauf, „noch sind nicht alle<br />

Karten ausgespielt worden.“<br />

Dieselbe schlechte Nachricht teilte ich auch einer jungen Frau mit, die<br />

mich nach Hauptmann Chiri]escu, ihrem Bruder, fragte. Auch er war im Lager<br />

zurückgeblieben und musste an den Kanal. Sie nahm die Nachricht mit der<br />

gleichen Fassung auf.<br />

Als ich beim Abschied die Hand von Frau Nanu küsste, steckte mir diese<br />

überraschenderweise ein paar Geldscheine zu.<br />

„Damit Sie mit der Straßenbahn fahren können. Bitte, lehnen sie sie nicht<br />

ab.“ Das Gleiche geschah auch Nae, diesmal seitens einer Frau, die ihn<br />

ihrerseits nach ihrem Mann gefragt hatte. Ich glaube, sie hatten diese milden<br />

Gaben auch anderen freigelassenen Offizieren zukommen lassen, die sie hier<br />

auf ihre Nächsten angesp<strong>ro</strong>chen hatten. Und was Mircea Bl\naru betrifft, nun<br />

gut, auf ihn hatte seine Frau gewartet.<br />

Da wir, Nae Cojocaru und ich, nur noch zu zweit geblieben waren, stellten<br />

wir fest, dass wir denselben Weg hatten. Wir nahmen eine Straßenbahn<br />

Richtung Obor, um dann in der Haltestelle Roata Lumii 200 , an der Kreuzung mit<br />

der Calea Do<strong>ro</strong>ban]ilor, der Straße, in der ich wohnte, auszusteigen, während er<br />

von dort noch etwas zu gehen hatte bis zum Haus eines Verwandten.<br />

In der Straßenbahn tauschten wir mit den Umstehenden gleicherweise<br />

neugierige Blicke aus – wir, wie gesagt, erkannten in ihnen, in ihrer<br />

199 Militärkreis.<br />

200 Weltrad.

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