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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 373<br />

eigenen Scheitern. Wir aber hatten zu dem üblichen Geisteszustand<br />

zurückgefunden. „Gut“, dachten wir, „dass wenigstens ein Teil von uns von hier,<br />

aus dem Teufelsloch, entkommen ist!“ Mitic\ B\lan jedoch war anderer Meinung.<br />

„Es soll mir keiner behaupten, dass dies hier nicht Ziganows Spiel ist, und<br />

dass wir letztlich alle freikommen! Er hatte nicht genügend Plätze im Zug und hat<br />

uns in zwei Gruppen aufgeteilt… und um sich an uns hier zu rächen… denn wir<br />

haben ihm seine Firmenschild kaputt gemacht, als der Bonze aus Ioschkar-Ola<br />

da war, er hat die Story von unseren Akten erfunden, unsere unklare Situation,<br />

dass wir unser Land so bald nicht wieder sehen… einfach nur, um uns auf<br />

glühenden Kohlen zu halten… Aber heimkehren werden wir alle… Ihr werdet’s<br />

sehen!“<br />

„Das glaube ich auch“, griff der Artilleriehauptmann Lungu ein. „Auch wir<br />

brechen auf, und dies schon heute.“<br />

„Worauf stützen Sie denn ihre Überzeugung, Herr Hauptmann, dass Sie<br />

mit solcher Präzision etwas behaupten?“, fragte ich ihn.<br />

„Auf äußerst sichere Daten. Ich habe von meinem Pferd geträumt. Bisher<br />

habe ich noch nie von ihm geträumt, ohne tags darauf abzureisen. Das letzte<br />

Mal, als es mir im Traum erschien, waren wir in Oranki, es war genau am<br />

Vorabend unseres Abtransports.“<br />

Wir hatten den 23. Juni 1947, befanden uns in voller<br />

Sommersonnenwende, genau am Vorabend von Johannis, beim Abendappell<br />

und acht Stunden nach der Abreise der Rumänengruppe, als diese waghalsige<br />

P<strong>ro</strong>phetie ausgesp<strong>ro</strong>chen wurde. Die sich aber zu unserer Verblüffung innerhalb<br />

von zwei Stunden erfüllen sollte, als der Offizier vom Dienst, der Major, in unsere<br />

Baracke trat – wo wir, müde von der Aufregung des Tages, bereits daran<br />

gegangen waren, uns für die Nachruhe auszuziehen. Er rief Cotea zu sich und<br />

überreichte ihm eine Liste.<br />

„Lies du vor, denn ich habe meine Brille zu Hause vergessen.“<br />

Cotea begann mit seinem dröhnenden Bass die sakrale Formel<br />

vorzutragen, welche den gesamten Schlafsaal mit Freudeschreien in die Luft<br />

jagte: „Wer seinen Namen hört, nehme sein Gepäck, die Decke und die Matratze<br />

und präsentiere sich beim Tor!“ Danach folgte die Ausrufung der Namen. Alle<br />

standen wir auf der Liste, ausnahmslos.<br />

B\lans Hypothese mit den beiden Gruppen und die Vorahnung<br />

Hauptmann Lungus mit seinem tollen Pferd bestätigten sich zur Gänze. Die<br />

Nachricht, dass auch wir, die Bestraften, die Streikenden und P<strong>ro</strong>testler<br />

abreisten, verbreitete sich blitzschnell und füllte das gesamte Lager mit<br />

Überraschung und Freude. T<strong>ro</strong>tz der späten Stunde – es war fast zehn Uhr, kurz<br />

vor dem Zapfenstreich – traten sowohl die Deutschen, als auch die Österreicher<br />

und die Ungarn, manche von ihnen in ihren langen Unterhosen, aus ihren<br />

Baracken, um uns zu verabschieden. Es kam auch Pastor Otto Schnübe, mein<br />

Peripatetiker, mit dem ich so viel über das Johannesevangelium gesp<strong>ro</strong>chen<br />

hatte, es kamen auch die vier ungarischen Offiziere, die uns in der ersten Nacht<br />

im Isolator besucht hatten, sie halfen mir, mein Gepäck zu tragen, es kam auch<br />

Gömbös, mein Schachchallenger, um mich zu fragen, wann es denn die<br />

Revanche gebe für ihn, es kam auch der Geschichtslehrer, um mich zu bitten,<br />

auf das „Rumänisch-Ungarische Imperium” nicht zu vergessen („Keine Angst”,

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