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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 218<br />

wahre Charaktermasken schaffen. Was mich betrifft, erkannte ich mich kaum<br />

wieder, als ich bei der Generalp<strong>ro</strong>be endlich seinen Händen entkam und mich im<br />

Spiegel musterte, so prägnant war die Maske eines im Bösen gealterten von<br />

Kartenspiel und Trunk aufgedunsenen Mannes, die er meinem Gesicht<br />

aufgesetzt hatte! Ana hingegen entschlüpfte bei jeder Charaktermaske, welche<br />

dieser „sich verleugnende“ P<strong>ro</strong>fi auf die Antlitze der Personen gezaubert hatte,<br />

ein Ausruf des Staunens. Es wäre nicht gerecht, wenn ich diesen Vorspann<br />

beendete, ohne zu erwähnen, wie wichtig für den Erfolg des Ensembles die<br />

Lichtspieleffekte waren, für die Hpt. Ingenieur Gheorghian (ein Altgefangener<br />

auch er) sorgte. Mit einem alten Scheinwerfer (von der Sorte, mit denen uns die<br />

Tschassowojs von den Wachtürmen verfolgten), den er umgebaut hatte, und mit<br />

buntem Glas gelang es ihm, für jedes Handlungsmoment eine aparte<br />

Atmosphäre zu schaffen.<br />

Es mag unglaubwürdig scheinen, dass sich unter den widrigen<br />

Umständen der Gefangenschaft so viele kompetente und wertvolle Menschen<br />

fanden, um den Bedarf einer solchen Aktion zu decken, vor allem, wenn man<br />

bedenkt, dass man Schauspieler, Sänger und Choristen ja noch imp<strong>ro</strong>visieren<br />

kann, aber keinesfalls die Musiker für das Orchester! Vergessen wir aber nicht,<br />

dass in Oranki und M=n\st=rka fast der gesamte rumänische Offizierskorps<br />

zusammengepfercht worden war, wir waren mehr als 5000 Intellektuelle, und<br />

darunter konnte man alles finden: Musiker, Opernsänger, ja sogar<br />

Berufsschauspieler. Es gab jede Art von Talente da, man musste nur noch<br />

jemanden finden, der die Flamme der Begeisterung hochhielt, um hinter der<br />

Maske des „Scharlatans“ Don Giacomo im Lager das Wunder eines fabelhaften<br />

Schauspiels Gestalt annehmen zu lassen. Und es traf sich zu jenem Zeitpunkt,<br />

dass ich dieser Jemand war.<br />

Die P<strong>ro</strong>ben schritten voran. Ein paar Tage vor der Generalp<strong>ro</strong>be war ich<br />

mit dem Stück bis zum Epilog gelangt und hatte die p<strong>ro</strong>tokollarische Pflicht noch<br />

nicht erfüllt, den Text der Zensur – also dem Kommissar – zu zeigen, um die<br />

Erlaubnis für die Vorstellung zu erhalten. Für dieses P<strong>ro</strong>blem gab es eine<br />

doppelte Erklärung: Zum einen existierte der Text integral nur in meinem Kopf –<br />

auf die Bühne kamen bloß Fragmente von Rollen oder „Stimmen“; zum anderen<br />

war dieser Aufschub Teil meiner Strategie. Wäre ich von Anfang an beim<br />

Kommissar mit dem Stück vorstellig geworden, hätte er dieses wohl als nicht<br />

„fortschrittlich“ genug oder aus ideologischer Sicht unzureichend abgewiesen<br />

(dafür besaß er genügend Begriffe in seiner Holzsprache, um die Ablehnung zu<br />

begründen). Nun, da die Operette etwas Vollendetes war und das Interesse der<br />

gesamten Gefangenenmasse und nicht bloß dieser, sondern auch jenes der<br />

Lagerbeamten geweckt hatte, denn die Ärztinnen, die Schwestern, die<br />

Natschalniks, die Offiziere vom Dienst, alle erwarteten die Vorstellung voller<br />

Ungeduld, wäre es für den Kommissar keineswegs ein Leichtes gewesen, diese<br />

Einstimmigkeit des Willens zu missachten. „Zuerst verwirkliche und dann erst<br />

bitte um Erlaubnis!“ war meine Devise, auf der Überzeugung fußend, dass alles<br />

Verwirklichte gerade durch die Erweckung zum Leben das Recht zu existieren<br />

hat und die Kraft dazu, sein Wesen zu verteidigen. Freilich, da ich mich nicht<br />

beeilte, die Erlaubnis zu beantragen, so ließ mir das Kommissariat einige Winke<br />

zukommen. Denn anders kann ich es mir nicht erklären, warum mich Lambrino

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