15.01.2013 Aufrufe

radu m|rculescu - Memoria.ro

radu m|rculescu - Memoria.ro

radu m|rculescu - Memoria.ro

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 214<br />

57. DER BASAR DER ILLUSIONEN<br />

Es war in den ersten Tagen des Jahres 1945. Das Kriegsende lag in der<br />

Luft. Aus den Zeitungen, welche die Verwaltung uns zur Verfügung stellte, hatten<br />

wir erfahren, dass die deutsche Offensive in den Ardennen gestoppt worden war,<br />

dass die unsrigen an der Seite der Russen in Budapest kämpften, vor allem<br />

aber, dass die „drei G<strong>ro</strong>ßen“ für Anfang Februar eine Begegnung planten, um die<br />

neue Weltordnung nach dem nahen Kriegsende zu umreißen und für die Völker,<br />

welche in der Schraubstockklammer eines irrsinnigen und höllischen Krieges,<br />

den sie nicht gewollt hatten, zermalmt worden waren, neue Lebensperspektiven<br />

zu entwerfen. Dies war zu jener Stunde die Atmosphäre im Lager. Man wartete<br />

auf etwas, was die alten Wunden verbinden und keine neuen aufreißen möge,<br />

auf etwas, was auch uns aus diesem Schiffbruch der Geschichte an ein<br />

rettendes Ufer bringen und unsere Heimkehr sichern sollte. Jene Konferenz,<br />

welche in einer Aura von Hoffnung und Optimismus schwebte, sollte das<br />

unheimliche und – für uns – fatale Yalta sein. Aber damals waren wir<br />

optimistisch, zuversichtlich, voller Illusionen und Träume. Und bis unsere<br />

Hoffnungen zusammenbrechen sollten, schwebten wir in einer Traumwelt und<br />

nährten unsere Seelen mit… Illusionen… Illusionen… und erneut Illusionen.<br />

Unter diesen Umständen entstand mein Werk Bazarul iluziilor! – Der<br />

Basar der Illusionen!, welches schon vom Titel her eine Warnung und eine<br />

Aufforderung zur Nüchternheit war.<br />

Die Dinge liefen wie folgt ab: Der Augenblickserfolg des Don Juan führte<br />

in der Künstlertruppe – insbesondere in meinem Freundeskreis – zu einer<br />

Euphorie, von der auch ich mich anstecken ließ. Es <strong>ro</strong>ch nach Frieden und, ja,<br />

warum nicht, nach Repatriierung, und man verspürte die Notwendigkeit, diesen<br />

Ort des Kummers und der Erniedrigung nicht zu verlassen, ohne dem<br />

Unterjochenden eine Qualitätsreplik auf dem entkrampften Terrain der Kunst und<br />

dem tatsächlichen Niveau unserer Schöpfungsmöglichkeiten zu erteilen.<br />

Meine Freunde, die Interpreten aus Don Juan, kamen zu mir und sagten<br />

mir: „Schreib was! Ein originelles Stück zu Musik aus bekannteren Opern, damit<br />

wir’s auch spielen können, jetzt, vor der Heimkehr, damit diese Russen da<br />

sehen, was wir leisten können, wenn man uns in Ruhe lässt.“ Ich blickte Lambie<br />

an. „He, Grieche, was meinst du, tun wir’s? Ich schreibe den Text und grabe<br />

Musik aus meinem Gedächtnis aus, du schreibst die Noten und sorgst für die<br />

Orchestrierung?“<br />

„Abgemacht“, kam Lambies Antwort, und wir gingen an die Arbeit.<br />

Was das Libretto betrifft, ich nahm das Thema direkt aus ihrem Vorschlag, „eine<br />

Oper zu inszenieren“. Nämlich zu zeigen, wie abenteuerlich dies sein kann und<br />

was für – oftmals witzige – Imp<strong>ro</strong>visationen sich jene einfallen lassen müssen,<br />

die daran gehen, quasi aus dem Nichts heraus ein Moment des Lichts, der<br />

Farbenpracht, der Musik und des Tanzes zu schaffen, welches den Zuschauern<br />

wenigstens für einen Augenblick ein Eckchen aus der fabelhaften Welt der<br />

„Oper“ enthüllt.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!