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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 24<br />

sich mir ein schwarzer Schleier vor die Augen geschoben. Die Spitze war<br />

gefallen. Was wir befürchtet hatten, war einget<strong>ro</strong>ffen. Mir fiel ein, dass am<br />

Morgen des vorigen Tages, als ich bei wunderbarer Herbstsonne durch das<br />

Fern<strong>ro</strong>hr das goldschimmernde Röhricht absuchte, durch das man das Blau des<br />

Dons erblicken konnte, sich wie durch Zufall eine massive Silhouette vor mein<br />

Objektiv schob, ein Mann im Ledermantel, der mit einer Hand das Schilf<strong>ro</strong>hr teilte<br />

und mit der anderen seinen Begleitern energisch eine zu befolgende Richtung<br />

vorgab. Und dies war genau die Talsohle entlang, die an meinem<br />

Beobachtungsposten vorbeiführte. Dann verschwanden sie alle zusammen, ohne<br />

mir Zeit zu lassen, ihre Gegenwart mit einer Granatsalve zu ehren. Sicherlich<br />

muss es sich, wie ich denn auch meinen Vorgesetzten berichtete, um ein hohes<br />

Tier gehandelt haben, das den seinen die Richtung des wahrscheinlichen<br />

Angriffs vorgab, genau die Sohle des Zarizyntals entlang, eine zwischen den<br />

beiden Divisionen liegende, unverteidigte Zone, unser schwaches Glied in der<br />

Kette.<br />

Was nur mag mit Furtun\ und seinen Leuten passiert sein? Sollten sie es<br />

geschafft haben, sich rechtzeitig zurückzuziehen oder waren sie niedergemetzelt<br />

worden? Und ich erschauerte bei dem Gedanken, dass ich ja an seiner Statt dort<br />

hätte sein können. Allein, die Gelegenheit war ja nicht verloren. Hatte uns der<br />

Oberst denn nicht gesagt, wir sollten uns für einen direkten Zusammenstoß mit<br />

den Panzertruppen des Feindes vorbereiten? «P<strong>ro</strong>jektil gegen Panzerung», die<br />

ewige Konf<strong>ro</strong>ntation der Kriegsgeschichte, hatte in unserem Fall sein<br />

Wahrheitsmoment erreicht. Entweder, oder!<br />

S=mbotin befahl, die Haubitzen in Schießstellung zu bringen.<br />

Mit der Hand an den Zündschnüren, warteten wir, ein jeder auf seinem<br />

Posten, in stiller Angespanntheit. Kein Wort. Keine Bewegung. Als seien wir eine<br />

von der Macht eines bösen Zaubers versteinerte Armee im Flussbett einer<br />

aufgehobenen Zeit.<br />

Plötzlich tauchten aus dem Nebel winzige Figuren auf. Unsere Hände<br />

verkrampften sich auf der Zündschnur, die Blicke wandten sich zum<br />

Kommandanten in Erwartung seines Befehls. Als die Figuren jedoch besser zu<br />

erkennen waren, stellten wir fest, dass es sich um unsere Ablösungskollegen von<br />

der Spitze handelte, vorneweg Furtun\. Er war bleich und erschöpft. Nachdem er<br />

aus einer Feldflasche ein paar Schluck heißen Tees getrunken hatte, erholte er<br />

sich etwas und begann, uns das ganze Drama zu erzählen, Moment für Moment.<br />

Die intensiven, ununterb<strong>ro</strong>chenen und irremachenden Bombardements der<br />

feindlichen Artillerie im Morgengrauen, gefolgt von einer massiven Attacke der<br />

Panzertruppen genau vom Tari]a-Tal aus, die er selber bloß gehört hatte und des<br />

Nebels wegen nicht hatte sehen können, und der Nebel war es auch, weswegen<br />

die deutsche Luftwaffe, mit der wir doch so sehr gerechnet hatten, ausblieb.<br />

Gerade dieser Nebel aber war für sie die wunderliche Rettung, erlaubte er es<br />

ihnen doch die Spitze, zusammen mit dem diese verteidigenden Infanteriezug zu<br />

verlassen, bevor die sowjetische «Pichota» (Infanterie), welche aus<br />

Leibeskräften schreiend und brüllend in Lastkraftwagen den Panzern folgte,<br />

ankam, um ihnen in einem für unsere Leute chancenlosen Kampf in den Rücken<br />

zu fallen. Im Schutz des Nebels waren sie Richtung Batterie aufgeb<strong>ro</strong>chen, die<br />

Hand an der Telefonleitung, die sie aber verlassen mussten, als sie nahe daran

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