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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 250<br />

64. MIHAI R\DUCANU<br />

Eine andere Form des „Widerstands“ waren die heimlichen Schriften, was<br />

bei den Russen „Samisdat“ heißen sollte. Von Anfang an möchte ich das mit<br />

G<strong>ro</strong>ßbuchstaben und von Hand geschriebene polemische Blatt Hidra erwähnen.<br />

Es war als Replik auf eine von Radu R=peanu (Altgefangener) verfasste<br />

Wandzeitung erschienen, die „Don Quichotte“ hieß und in der wir Offiziere, die<br />

wir uns der „Antifaschismusbewegung“ nicht angeschlossen hatten, als<br />

rückständig beschrieben wurden, als Leute mit dem Kopf in den Wolken, die<br />

einer normalen Wirklichkeitswahrnehmung unfähig sind und Prahlhänsen gleich<br />

mit den Windmühlen kämpften. Da das meist verwendete Syntagma der<br />

Wandzeitung (wie auch in der gesamten Sowjetp<strong>ro</strong>paganda, sooft es um die<br />

Gegner ging) jenes von der „faschistischen Hydra“ war, die mit ihren allseits<br />

ausgestreckten Armen aller Übel schuldig ist, nahm der Autor des Pamphlets die<br />

Herausforderung an und nannte sein Blatt ostentativ Hidra. Die „Publikation“<br />

erschien 3-4 Tage später und stets nur nachts. Morgens fanden dann die<br />

Gefangenen mehrerer Schlafsäle jeweils die Hidra an einem der<br />

Bettpfostennagel hängend vor. „Lies es und reich es weiter!“ stand auf jedem<br />

Exemplar. Aber das Samisdatblatt wendete sich nicht bloß an uns, sondern auch<br />

an die Aktivisten und Denunzianten, die morgens mit den betreffenden<br />

„Ausgaben“ vor ihrer Nase aufwachten. Was enthielten denn diese Hydren? In<br />

erster Linie eine treffende Antwort auf das Editorial R=peanus aus dem „Don<br />

Quichotte“ und auf seine Attacken gegen uns, dann einen kurzen Kommentar der<br />

Ereignisse und schließlich die mehr oder weniger sensationelle Entlarvung eines<br />

neuen Denunzianten, der bis dahin als ehrenhafter Kollege gegolten hatte. Wer<br />

war aber dieser heimliche und den Behörden bis ans Ende der Gefangenschaft<br />

unbekannt gebliebene Autor? Auf jeden Fall, die Hidra hatte Nerv, zeugte von<br />

unvergleichlichem Talent fürs Pamphlet. Kurz, man spürte den P<strong>ro</strong>fi dahinter,<br />

den erfahrenen Journalisten. Ich einer wusste bereits nach dem Lesen des<br />

ersten Blattes, wer es war, hielt aber den Mund. Allein, der Autor, dessen<br />

Identität im gesamten Lager ein anregendes Diskussionsthema war, vertraute<br />

sich mir bereits nach ein paar Tagen, nachdem ich in M=n\st=rka angekommen<br />

war, an. Es war, so wie ich von Anfang an vermutet hatte, mein guter Freund und<br />

Regimentskamerad Mihai R\ducanu, mit dem ich einiges durchgestanden hatte<br />

und dessen Denken und Ausdrucksstil mir seit langem vertraut war.<br />

„Ich wusste’s!”, erwiderte ich auf seine Enthüllung.<br />

„Auch ich wusste, dass du’s weißt!”<br />

Mihai R\ducanu war eine der p<strong>ro</strong>minenten Figuren unseres Widerstands<br />

in der Gefangenschaft, aber auch später dann im rumänischen Gulag, der ihn<br />

wie auch viele andere ehemalige Kriegsgefangene ein paar weitere Lebensjahre<br />

kostete. Man erlaube mir, diesem äußerst interessanten und originellen Mann,<br />

der schon seit langem verstorben ist, ein paar Zeilen zu widmen.

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