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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 488<br />

137. Streit in den Eingeweiden des NKWD im Lager<br />

Der Politkommissar des Lagers hieß Maramet. Er war ein Jude aus<br />

Bessarabien. Kräftig, dick und <strong>ro</strong>t im Gesicht. Er war einer der politischen<br />

Offiziere der Tudor-Vladimirescu-Division gewesen, an deren Militäraktionen er<br />

teilgenommen hatte. Anlässlich ich weiß nicht welches Feiertages aus dem<br />

Sowjetkalender wurde im Klub eine öffentliche Sitzung (was zu jener Zeit,<br />

glücklicherweise, recht selten geschah) abgehalten, und mit dieser Gelegenheit<br />

erinnerte der Betreffende an die Schlacht von Debreczin, wo die namentliche<br />

Division, wie man uns erzählt hatte, sich mit Ruhm bedeckte und die<br />

Führungsoffiziere mit Orden überhäuft wurden.<br />

Allein, Maramet lobte keineswegs die Tapferkeit der „Panduren“ in den<br />

Himmel, sondern ging daran, eine treffende kritische und objektive Analyse der<br />

Militä<strong>ro</strong>perationen anzustellen, woraus hervorging, dass die Schlacht ein<br />

schreckliches und blutiges Fiasko war, das sich, hätten auf den Flanken nicht die<br />

sowjetischen Einheiten eingegriffen, in ein Desaster und totales Blutbad<br />

verwandelt hätte. Als letztendlich der Rückzugsbefehl erteilt wurde, verwandelte<br />

sich alles in ein fürchterliches Durcheinander.<br />

„Was heißt denn hier Rückzug, Leute! Das war kein Rückzug mehr,<br />

sondern reine Flucht. Es flüchteten die Kommandanten, es flüchteten die<br />

Offiziere, es flüchteten die Truppen. Alle flüchteten“, kommentierte er und verlieh<br />

durch Mimik und Gestik dieser dramatischen Situation eine komische Note.<br />

Was aber mag den Kommissar denn bewogen haben, die offizielle Version,<br />

welche die Panduren von Kopf bis Fuß mit Tapferkeit bedeckte, auf den Kopf zu<br />

stellen und uns die wahre Variante zu präsentieren? Schwer zu sagen. Auf jeden<br />

Fall passte Maramets Version schrecklich gut zusammen mit dem P\storel<br />

Teodoreanu 185 zugeschriebenen Epigramm (das er Cambrea gewidmet hatte, der<br />

von Ana Pauker zum Chef dieser Division ernannt worden war):<br />

Aus einem Gebirgsjäger, stolzen<br />

Machte dich die Ana zum Panduren.<br />

Klebte dir einen Stern auf die Stirn<br />

Und einen Debreczin… an den Hintern.<br />

Der Sitzungs- und Festsaal war zugleich auch Esssaal und Leseraum. In<br />

diesen mündeten sowohl die Tür des Politkabinetts (Kommissariats), als auch<br />

jene des Korridors, der zur Küche führte, dazu die stets offene Tür zur Bibliothek.<br />

Eines Tages ging ich nach dem Mittagessen in die Bibliothek, wo mir der<br />

Deutsche, den ich kannte und der hier als Bibliothekar arbeitete, mir die<br />

berühmte Schillerausgabe (Halle, 1811) gab, um die ich ihn schon seit langem<br />

gebeten und die er unlängst zurückbekommen hatte. Nur wir beide befanden uns<br />

185 P!storel Teodoreanu (1894 – 1964) war ein rumänischer Rechtsanwalt und Schriftsteller, der vor allem<br />

durch seine beißend-i<strong>ro</strong>nischen Epigramme berühmt geworden ist.

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