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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 174<br />

Dies war allgemein das Schema, für das wir, die potentiellen<br />

Gesprächszielpartner, rechtzeitig unsere Antworten vorbereiten konnten, wie in<br />

der Schule für die Klassenarbeit. Aber innerhalb dieses Schemas konnten, wie<br />

etwa im Falle Hauptmann Davids, auch unvorhergesehene Unfälle passieren.<br />

Dieser war ein sympathischer, intelligenter und feinsinniger Kerl; die erlebten<br />

Schocks jedoch hatten ihm ein Trauma beschert. Schon bei der geringsten<br />

nervösen Herausforderung brach er in Gelächter aus. Und von diesem Moment<br />

an war kein Gespräch mehr mit ihm möglich. So erging es ihm auch mit M=]\. Er<br />

hielt sich so gut er konnte zurück, solange es um die Weltpolitik ging, als es aber<br />

zum beschämenden Vorschlag kam, konnte er sich nicht mehr kont<strong>ro</strong>llieren und<br />

brach in schallendes Gelächter aus, so dass M=]\ ihn völlig verdattert anguckte.<br />

„Ha, ha, ha, und Sie meinen, ich soll mich für die Division melden? Ha, ha,<br />

ha, und den Kranz von der Schirmmütze runter nehmen, ha, ha, ha, und was soll<br />

ich anstatt drauf tun? Sichel und Hammer? Ha, ha, ha, oder den einen <strong>ro</strong>ten<br />

Stern? Und was werden die Leute sagen, ha, ha, ha, wenn sie mich so schön<br />

herausgeputzt zu Gesicht bekommen? Ha, ha, ha, sie werden mir nachlaufen,<br />

als wäre ich ein Tanzbär, ha, ha, ha!“ Lacher folgte auf Lacher. M=]\s<br />

Verwunderung verwandelte sich in Schrecken, als er sah, dass sein Gegenüber<br />

sich vor Lachen nicht mehr halten konnte, dass ihm die Tränen in die Augen<br />

schossen und sein Gesicht blau anlief. Aus Angst vor einem dramatischen<br />

Ausgang wusste er gar nicht mehr, wie er ihn schneller loswerden konnte, führte<br />

ihn aus dem Raum und übergab ihn einem Wachposten, um ihn in den<br />

Schlafsaal zu geleiten.<br />

Nachdem er sich erholt hatte, begann er einem kleineren Kreis, dem auch<br />

ich angehörte, die ganze Angelegenheit zu erzählen. Nun war er derjenige, der<br />

ruhig und ernst erzählte, während wir uns vor Lachen krümmten. Aber wir hatten<br />

uns noch kaum richtig die Lachtränen aus den Augen gewischt, als ein<br />

Regenbogen (dies war die Bezeichnung, die wir den Antifaschisten verpasst<br />

hatten) vor mich hintrat, der Dienst schob im Kommissariat und mir die Einladung<br />

überbrachte, bei Herrn M=]\ vorzusprechen. Dieser Eingriff ließ all unsere<br />

Fröhlichkeit verfliegen, und mich warf er in einen Zustand der Besorgnis. Ich<br />

kleidete mich langsam und so dick wie irgend möglich an, denn in solchen Fällen<br />

wusste man ja nie, was einen erwartete. Der Karzer war nicht weit weg vom<br />

Kommissariat. Wahrscheinlich wollte Herr M=]\ für diesen Tag nicht auf seine<br />

P<strong>ro</strong>pagandanorm verzichten und hatte nun mich ausgewählt, ihm die Replik zu<br />

geben. Also dann sollte er eine bekommen! Unterwegs fielen mir die Ratschläge<br />

eines Altgefangenen ein, mit dem ich mich angefreundet hatte (Loni Teodorescu)<br />

und der mir folgendes empfohlen hatte: „Wenn du dir Kopfschmerzen ersparen<br />

möchtest, sage im Gespräch mit ihnen weniger als nötig, und auf ihre Vorschläge<br />

antworte eindeutig und endgültig. Es schadet auch nicht, wenn du auch ein<br />

bisschen den Verrückten, den Verdrehten gibst!“<br />

Mit diesen Gedanken betrat ich in seine Beratungskammer, wo ich ihn am<br />

Schreibtisch vorfand, mit einer offenen Zeitung vor sich, die er mit einem von<br />

ungeputzten Brillen gefilterten Blick überflog. Unangenehm beeindruckten mich<br />

seine schäbige Kleidung, der stachlige, eine Woche alte Bart sowie auch seine<br />

ungeschnittenen Bürstenhaare. Seine gesamte Erscheinung drückte<br />

Selbstaufgabe aus, wohl die Folge einer innersten existentiellen Krise. Er bot mir

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