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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 169<br />

führen, betrifft, um praktisch gegen die rumänische Armee zu kämpfen, glaube<br />

ich, dass Oberst Cambrea als Generalstabsoffizier wissen sollte, unter welchen<br />

Strafgesetzbuchartikel dieses Verbrechen fällt, das zu Kriegszeiten Verrat heißt,<br />

und welches die Strafe hierfür ist. Und wenn er sich nicht mehr daran erinnert,<br />

kann ich ihm aushelfen. Und ich zitierte ihm akribisch genau Artikel, Absatz und<br />

Sanktion, die Todesstrafe. Dann setzte ich mich und ließ das ehrenhafte<br />

Präsidium sprachlos zurück. Es folgten einige Sekunden Grabesstille, dann<br />

brach Beifall los. Als hätte ihn der Applaus geohrfeigt, sprang Cambrea von<br />

seinem Stuhl, bereit, sich auf mich zu stürzen, aber Nowikow fasste nach seinem<br />

Arm und hielt ihn zurück. Dann erklärte er sehr ruhig die Debatte für beendet und<br />

lud die Bereitwilligen ein, an die Tischecke zu treten, auf der ein Stapel<br />

hektographierter Formulare lag, um je eines zu unterzeichnen. Um den Saal zu<br />

verlassen, musste man an jener Tischecke vorbeigehen, wo neben den<br />

Formularen wie eine Riesenspinne Oberst Maltopol lauerte. Dieser wiederholte<br />

mit der Familiarität, die Caragiales Vorstadtpersonen eigen ist, jedem<br />

Vorbeigehenden „Unterschreib, und du kriegst ein Küsschen!“; da aber diese<br />

schleimige Einladung niemanden in Versuchung brachte, zu unterschreiben,<br />

blieb der Stapel von Zustimmungsformularen unberührt, und ein jeder verließ<br />

den Saal mit den Händen hinter dem Rücken. Die ganze Sitzung verblieb ein<br />

wahrhaftiger Bluff. Sowie die Versammlung zu Ende war, kamen eine Menge<br />

Leute, Freunde, mir Nahestehende, Bekannte, ja sogar Unbekannte zu mir, um<br />

mir die Hand zu schütteln, und einige praktischer Veranlagte brachten mir<br />

Kleidungsstücke, warme Sachen, obwohl wir Sommer hatten. (Ein paar<br />

Deutsche brachten mir eine kurze pelzgefütterte Jacke, zum Zeichen ihrer<br />

Solidarität, was mich rührte.) Andere steckten mir Zigarettenpäckchen zu,<br />

Streichhölzer, ja sogar Rubel. Alle statteten mich aus, als ginge es baldigst in die<br />

Arktis, denn alle Leute (angefangen mit mir selber) war überzeugt davon, dass<br />

die Macht diesen Aff<strong>ro</strong>nt nicht hinnehmen würde, ohne ihn p<strong>ro</strong>mpt und hart nach<br />

eigenem Gesetz zu bestrafen. Da ich aber von Beginn an dieses Risiko auf mich<br />

genommen hatte, wartete ich ruhig den Ablauf der Ereignisse ab, diese jedoch<br />

ließen auf sich warten. Es kam der Abendappell, dann das Abendessen, der<br />

Zapfenstreich und… nichts. Ich ging schlafen. Wir schliefen jeweils zu sechst in<br />

einer ehemaligen Mönchszelle, deren dicke Mauern an eine Klosterfestung<br />

denken ließen. Gegen Mitternacht spürte ich, wie jemand leicht an mir rüttelte.<br />

Es war der Offizier vom Dienst, der zum Zeichen der Verschwiegenheit und<br />

Heimlichkeit erst seinen Finger vor den Mund hielt und mir dann zuflüsterte, mich<br />

anzuziehen und ihm zu folgen. Was ich denn auch tat, ohne auch nur eines der<br />

Felle zu vergessen, mit denen ich beschenkt worden war. Als ich aber den<br />

Rucksack, den ich rechtzeitig und minutiös vorbereitet hatte, nehmen wollte, gab<br />

er mir durch ein Zeichen zu verstehen, dies sei nicht nötig, woraus ich schloss,<br />

dass es sich bloß um ein Verhör handelte.<br />

Es war eine warme und ruhige Sommernacht mit Vollmond. Wir gingen<br />

auf einen der Gärten zu, wo auf einer Bank zwei Personen auf uns warteten. Der<br />

Offizier übergab mich, grüßte und zog sich diskret zurück. Einer der beiden, in<br />

dem ich Oberst Nowikow erkannte, reichte mir die Hand und wies mich an, gleich<br />

rechts von ihm Platz zu nehmen. Zu seiner Linken hatte er einen Hauptmann<br />

namens Can]=ru als Dolmetscher.

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