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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 212<br />

aus anderen Akten, mit Fragmenten der Ouvertüre, der Arie des Leporelo, jener<br />

Don Juans: „La ci darem la mano“ (wir werden einander die Hand reichen!),<br />

desgleichen mit dem seltsamen und faszinierenden Menuett. Die Handlung hatte<br />

ich auf ein Minimum zusammengestrichen. Der Seniore Don Juan, mit seiner<br />

Absicht, ein junges verlobtes Bauernmädchen zu verführen, lädt das ganze Dorf<br />

zu einem Fest auf sein Schloss ein. Es tauchen auch ein paar Masken tragende<br />

Personen auf, welche Don Juan wegen eines früheren Verbrechens verfolgen.<br />

Auf die aufwühlende Musik des Menuetts werden Repliken vorgetragen. Die<br />

Verfolger entlarven Don Juan als Mörder, und die aufgebrachten Bauern stürzen<br />

sich auf den kriminellen Verführer, der, anstatt zu flüchten, wie dies im Libretto<br />

Lorenzo da Pontes der Fall ist, seinen Degen zückt und die Angreifer verjagt.<br />

Warum änderte ich den Text? Warum ließ ich die Bauern denn nicht die feudale<br />

Domäne überfallen und den lasterhaften Senioren und Mörder vertreiben, so wie<br />

es im Text war? Weil dieses Aktfinale, das im Rahmen der gesamten Oper nur<br />

eine Episode darstellt, vom ungebildeten Zuschauer als ihr eigentliches Ende<br />

hätte aufgefasst werden können, dieses aber ist ja viel tragischer (Don Juan wird<br />

von der Hölle verschluckt) und passt nicht in eine Revue.<br />

Interessant ist jedoch, wie denn diese Änderung des Schlusses vom<br />

bigotten Chefideologen der „Freiwilligen“ kommentiert wurde, also von Aurel<br />

Lambrino, der einst mein wertvoller Partner sokratischer Gespräche und in<br />

gewissem Maße gar vertrauenswürdiger Freund gewesen war. Er habe, erfuhr<br />

ich, ungefähr Folgendes über das Opernmoment, dass ich in die Revue<br />

eingebaut hatte, gesagt: „Aus einem Gefühl der «Kastensolidarität» heraus hat<br />

M\rculescu den Zuschauern seinen reaktionären Arsch gezeigt, indem er sich<br />

beeilte, dem Ausbeuter Don Juan beizuspringen und die Aufständischen Bauern<br />

massakrierte, um seine eigenen 200 Hektar Grund zu verteidigen.“<br />

Jenseits davon, dass es unritterlich ist, ein vertrauliches Geständnis, das<br />

dir jemand gemacht hat, bevor er dir zum Gegner wurde, preiszugeben (vor<br />

allem, wenn dieses einem Schaden zufügen kann), war ich mehr als erstaunt<br />

darüber, was die moralische Kapitulation im Denkapparat eines übrigens als<br />

intelligent geltenden Menschen bewirken kann, um mit solcher Gelassenheit<br />

etwas derart Abwegiges zu behaupten.<br />

T<strong>ro</strong>tz der obigen ideologischen Vorbehalte hatte Don Juan g<strong>ro</strong>ßen Erfolg,<br />

und dies nicht nur bei unseren Jungs, sondern auch bei den „anderen“, den<br />

„Antifaschisten“, ganz zu schweigen vom sowjetischen Lagerpersonal, welches<br />

frenetisch Beifall zollte. Die Deutschen waren ihrerseits im siebten Himmel,<br />

applaudierten, pfiffen und stampften auf, wie es ihre Gewohnheit war.<br />

Die einzigartige Grazie der Mozartschen Musik, welche einem jeden<br />

zugänglich ist, unabhängig von Nation oder Kulturniveau, eine Musik, die für<br />

Kinder und Engel komponiert worden ist, diese göttliche Musik Mozarts gewann<br />

für mich den Saal bereits mit den ersten Akkorden der Ouvertüre.<br />

Am Pult dirigierte Meister Lambie Papadopol sein kleines Orchester, das<br />

aus ein paar kläglichen Geigen, zwei Cellos, einem Kontrabass, drei, vier<br />

Gitarren und zwei Balalaikas bestand, und erinnerte durch seine Gestik an das<br />

Pathos eines Furtwängler vor einem Wagnerschen oder Mahlerschen Orchester<br />

an der Scala oder an der Met<strong>ro</strong>politan Opera.

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