15.01.2013 Aufrufe

radu m|rculescu - Memoria.ro

radu m|rculescu - Memoria.ro

radu m|rculescu - Memoria.ro

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 267<br />

dem Krieg verzeichneten Bevölkerungsverluste des schwer vom Schicksal<br />

get<strong>ro</strong>ffenen sowjetischen Volkes.<br />

Leider aber kam es zwischen den Freierinnen, war doch die Nachfrage<br />

g<strong>ro</strong>ß und das Angebot gering, zu Konflikten, sie gerieten sich mitunter in die<br />

Haare, was alsbald den Lokal-, dann auch den Rayonbehörden zu Ohren kam.<br />

Diese sahen die Wiederherstellung des demographischen Gleichgewichts mit<br />

Hilfe der Gefangenen anders als die Frauen. Also wurde im g<strong>ro</strong>ßen Festraum der<br />

Kolchose eine g<strong>ro</strong>ße Versammlung anberaumt, an der auch hohe Gäste der<br />

Rayonbehörde teilnahmen. Vorgeladen wurde auch der Gardekommandant, ein<br />

Moldauer aus Transnistrien (aus der Gegend von Balta), der mir amüsiert den<br />

Ablauf der Diskussionen geschildert hat.<br />

Die Sitzung unter dem Vorsitz des Rayonkommissars wurde von einem<br />

Jungspund von Staatsanwalt eröffnet, der mit einer langen und harten<br />

Anklagerede gegen die Frauen loslegte.<br />

Während ihre Männer im Krieg ihr Blut vergossen und sich mit Ehren<br />

bedeckt hatten und nun in all den befreiten Ländern die sowjetischen<br />

Errungenschaften bewachten und verteidigten, was machten die Frauen<br />

währenddessen? Sie ließen sich von den ehemaligen faschistischen Besatzern<br />

verführen, von Verbrechern, Vergewaltigern, Räubern, Zerstörern… Kurz, die<br />

gesamten gültigen P<strong>ro</strong>pagandavokabeln wurden angeführt.<br />

«Wie konnte denn eure Würde sowjetischer Frauen nur so tief sinken?»,<br />

fragte dieser rhetorisch. «Was für eine Schande! Dass ihr auf solche<br />

Missgeburten, auf solchen Abschaum von Männern schaut!»<br />

«Gib du uns andere, bessere!», schrie aus der Menge eine junge und<br />

kräftige Frau wie aus dem Häuschen, die mitunter einen Mann hätte erdrücken<br />

können.<br />

«Gib du uns andere, bessere!», wiederholte wütend jene in ihren<br />

elementaren Instinkten gestörte Frauenmenge.<br />

«Ruhe!», schnauzte sie der Staatsanwalt an. «Solch schmähliches<br />

Benehmen zeigt nur, wie tief eure Würde gesunken…»<br />

«Na hör mal, du kannst mich mal, du, mit deiner Würde!» murrte eine der<br />

Gevatterinnen. «Was heißt hier Würde? Ersetzt die mir denn meinen Mann? Ich<br />

brauch einen Mann und nicht Würde.»<br />

«So ist es!», begannen die Frauen zu schreien. «Wir wollen Männer, nicht<br />

Würde!», wiederholte die entfesselte Menge. «Gebt uns unsere Männer zurück,<br />

wenn euch diese nicht gefallen!», hörte man noch rufen.<br />

Der Kommissar spürte die Gefahr, die dieser Angelegenheit innewohnte<br />

und welche gar die Legitimität all der weiterhin Waffendienst leistenden Männer,<br />

nun, da der Krieg zu Ende war, in Frage stellte, und bat um Ruhe, damit der<br />

Genosse Staatsanwalt seine Rede «beende». Aber der Genosse bemerkte die<br />

Anspielung darauf, diese peinliche Sitzung abzuschließen, nicht und fuhr so fort,<br />

wie er begonnen hatte:<br />

«Also», nahm er seine Rede wieder auf, «um diesen Zuständen, die eine<br />

Schande auf Unionsebene sind, ein Ende zu setzen, hat die Parteiführung<br />

entschieden, das die Gefangenenbrigade die Kolchose sofort verlässt.» Nun<br />

brach der Massenwahnsinn aus. Erst waren die Frauen sprachlos, gerade so, als<br />

wäre das Urteil verlesen worden. Dann aber sprang eine von ihnen, die in der

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!