15.01.2013 Aufrufe

radu m|rculescu - Memoria.ro

radu m|rculescu - Memoria.ro

radu m|rculescu - Memoria.ro

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 16<br />

dieser meiner zweiten Haftzeit gelangte, hörte ich nur Worte der Superlative über<br />

sie.<br />

In den fast 7 Jahren zwischen den beiden Verfolgungswellen, jener gleich<br />

nach der Repatriierung und jener nach der Ungarischen Revolution, immerhin<br />

eine Zeitspanne der Ruhe (die Ruhe bedeutete für die Securitate Zeit, Beweise<br />

zu sammeln für die nächste Verhaftungswelle), wurden die ehemaligen<br />

Gefangenen einem strikten Regime der Marginalisierung unterzogen.<br />

Ausgenommen die höheren Offiziere, welche man in Rente schickte, wurden die<br />

anderen, aktiven, aus dem Kader der Armee entfernt, um zusammen mit uns,<br />

den Reservisten, vergebens an den Türen der Institutionen und Betriebe<br />

anzuklopfen, wo uns stets der unheimliche «Kader»-Dienst abwies. Schließlich<br />

fanden wir größtenteils Unterschlupf in den Bauarbeiter-Kooperativen, wo man<br />

im allgemeinen Baufieber jener Zeiten für niedrige und miserabel bezahlte<br />

Arbeiten in Sachen «ungesunde Herkunft! 16 oder was die «Schandflecke» 17 des<br />

Bewerbers betrifft noch ein Auge zudrückte. Das Bauwesen war somit eine Art<br />

Fremdenlegion des Regimes geworden, der letzte Rückzugsort für die<br />

Unterdrückten der ehemaligen «guten Welt». In einer solchen Kooperative fand<br />

auch ich einen elenden Arbeitsplatz. Dazu wurden wir allesamt, die ganze<br />

Familie, desgleichen als Repressalie, aus unserer Wohnung, deren Eigentümer<br />

wir waren, geworfen und in eine baufällige Bude gesteckt, um in unser<br />

Eigenheim, das war die Höhe, «sowjetische Berater» einzuquartieren.<br />

Aber wie es so kommt, dass sich das Böse zum Guten wendet, sollte ich<br />

in der Kooperative, in die ich eingetreten war und wo ich einem Team von<br />

«Glasscheibensetzern» angehörte (zusammen mit einem Jurap<strong>ro</strong>fessor, einem<br />

Rechtsberater am Berufungsgericht, einem Oberst der Königsgarde, einem<br />

Kommandeur der Luftwaffe und einem Kreispräfekt), jene kennen lernen, die<br />

meine Frau und das Glück meines gesamten Lebens werden sollte, Ligia<br />

Manolescu, aus einer Familie mit vielen «Ehemaligen» und Verurteilten. Sie<br />

kam, mit zwei Kindern am Hals, aus einer gestrandeten Ehe (genau wie ich,<br />

denn auch meine Ehe hatte den Beben des Jahrhunderts nicht standgehalten).<br />

So kam es, dass wir – wie Ibsen dies in seiner Nora so schön sagt – aus zwei<br />

Ehewracks ein Floss bauten, mit welchem wir den Ozean der Ungewissheiten<br />

dieses Jahrhunderts überqueren konnten. Zwar gab es so manchen von den<br />

Ostwinden angefachten Sturm, aber wir schafften es, wohlbehalten ans Ende der<br />

Reise zu gelangen.<br />

Immer wenn zwei ehemalige Gefangene oder Häftlinge zufällig<br />

zusammenkommen, tauschen sie, ohne dies zu wollen und ohne sich dessen<br />

Rechenschaft zu geben, Komplizen gleich, einen verstehenden Blick aus, gerade<br />

so, als ob sie auf ein gemeinsames Gut anspielen würden, zu dem nur sie (und<br />

16 Adliger, bürgerlicher, g<strong>ro</strong>ßbäuerlicher etc. Herkunft.<br />

17 Makel aller Art, mit denen man „behaftet“ war: aktive Mitgliedschaften in den ehemaligen, inzwischen<br />

verbotenen, demokratischen Parteien, Kriegsgefangenschaft verbunden mit Anwerbungsverweigerung für<br />

die erwähnten Freiwilligendivisionen, Sohn / Tochter obiger etc.<br />

*

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!