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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 297<br />

in kürzester Zeit heimkehren. Was aber sie betrifft“, und dabei streckte er den<br />

Arm in unsere Richtung aus, „es wird noch viel Wasser die Donau hinunter<br />

fließen…“<br />

„Geschieht ihnen nur recht! Geschieht ihnen nur recht!“, riefen die<br />

Freiwilligen mit der gleichen Vehemenz, mit der auch die Juden Pilatus zuriefen:<br />

„Kreuzige Ihn! Kreuzige Ihn!“<br />

„Was für Schurken!“, sagte angeekelt der alte Onkel Romic\. „Was haben<br />

wir diesen Niederträchtigen denn getan, dass sie über uns herfallen? Ist unsere<br />

Sache denn nicht auch ihre?“<br />

„Sie sind nicht über uns hergefallen. Sie wurden auf uns gehetzt“,<br />

korrigierte ihn Alecu Tr\istaru. „Gehetzt von denen, die sie gut an der Leine<br />

halten. Was wir hier sehen, ist eine Übung, eine Vorpremiere dessen, was<br />

morgen zu Hause im ganzen Land gespielt werden wird. Der Reihe nach und in<br />

der Ordnung, welche von ihrer marxistischen Dialektik vorgeschrieben wird,<br />

werden sie und andere gleich ihnen gegen alle Gegner des Regimes aufgehetzt<br />

werden, gegen die historischen Parteien, gegen die Grundbesitzer, die<br />

Industriellen, die G<strong>ro</strong>ßbauern, ja sogar – ihr werdet’s sehen – gegen die<br />

Monarchie. Die letzten Opfer werden die Weggenossen sein, also Leute in der<br />

Art dieser hier, die uns jetzt hier ausbuhen“, schloss Alecu Tr\istaru seine<br />

p<strong>ro</strong>phetische Ansprache.<br />

Tatsächlich sollte er recht behalten, denn nach weniger als zwei Jahren nach<br />

dieser Vorhersagung sollten am Hungerstreik für die Repatriierung im Februar<br />

1948 in Oranki (M=n\st=rka) (den ich im Pilotkapitel bereits angesp<strong>ro</strong>chen habe)<br />

– so unglaublich es auch anmutet – sogar antifaschistische Freiwillige<br />

teilnehmen, darunter auch jene, die uns an diesem Meeting gerade<br />

gebrandmarkt hatten, und welche, nachdem sie ihren Herren gedient hatten, nun<br />

als aufgeopferte Weggenossen sich dessen bewusst geworden waren, dass es<br />

keinen anderen Weg für die Repatriierung gibt als den des Kampfes, der<br />

Solidarität und des Leidens, den sie seinerzeit gebrandmarkt hatten. Dies ist die<br />

harte, aber gerechte Lektion der Geschichte. Denn, wie Goethe sagte,<br />

„Weltgeschichte ist Gottesgericht“.

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