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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 486<br />

136. Vasile Coteas Drama<br />

Seit einiger Zeit war Vasile Cotea, der mit dem pechschwarzen Gesicht<br />

und den dickbuschigen, zusammengewachsen Augenbrauen, der als<br />

Dolmetscher in unseren Auseinandersetzungen mit den Machthabern sein<br />

Gegenüber mit seinem furchtbaren Haiduckenblick erschauern ließ, egal,<br />

welchen Rang dieser hatte, der p<strong>ro</strong>funde Bass, der mit seinem erschütternden<br />

Tiefgang den Fußboden erzittern ließ und in herausragender Manier den<br />

gesamten Akkord unseres Chores abstützte, er war verschwunden. Das Spital<br />

hatte ihn geschluckt. „Obliterierte Endarteriitis“ war die erhaltene Diagnose. Ein<br />

Todesurteil mit unbestimmtem Sterbedatum. Die Krankheit ist furchtbar und tritt<br />

als Endphase eines andauernden Mangelregimes auf, so wie es ja für uns in den<br />

fünf bis acht Jahren (wir hatten das Jahr 1949) Kriegsgefangenschaft der Fall<br />

gewesen war. Mit letalem Ausgang, auch wenn es geringe Chancen auf ein<br />

Hinauszögern gab und noch geringere auf eine Heilung. Die Krankheit beginnt<br />

mit dem Schwarzwerden (Nek<strong>ro</strong>se) der g<strong>ro</strong>ßen Zehe des rechten Fußes. Der<br />

amputiert werden muss, um der Gangräne vorzubeugen. Es folgen der Reihe<br />

nach zusammen mit den betreffenden Operationen der gesamte Fuß, die Wade,<br />

dann der Oberschenkel bis zur Hüfte. Inzwischen installiert sich die Krankheit<br />

auch im linken Bein, und die gesamte Kette von Amputierungen und Leiden<br />

wiederholt sich.<br />

Als ich mich von ihm verabschiedete, war ihm im gleichen Frühjahr der<br />

rechte Fuß wegamputiert worden. Er sollte am Tag darauf mit einem Invaliden-<br />

und Schwerkrankentransport heimkehren.<br />

„Siehst du, dies ist der Preis meiner Repatriierung!“, sagte er zu mir und<br />

zeigte mit der Spitze seiner Krücke auf die Stelle, wo sein Fuß gewesen war.<br />

„Macht nichts, ich habe bloß meinen Fuß hier gelassen, andere jedoch haben,<br />

um heimzukommen, ihre Seele, ihr Gewissen, ihre Ehre dagelassen. Siehst du<br />

denn nicht, bin doch besser dran als sie, oder?“, lachte er.<br />

Ich sah ihn 1956 wieder, in jenem seltsamen Interludium so genannter<br />

Freiheit, das sich zwischen unserer Repatriierung 1951 und unseren<br />

Wiederverhaftungen 1957-1959 erstreckte.<br />

Wir waren ein paar ehemalige Kriegsgefangene, die wir uns im Bukarester<br />

Krankenhaus Witing versammelten, wo man ihm den Rest der Beine bis zur<br />

Hüfte amputiert hatte, um ihn zu sehen, bevor er entlassen wurde.<br />

Tase T. und ich trugen ihn auf den Armen bis zum Taxi. Er war leicht wie<br />

ein Kind.<br />

„Seht ihr, wie wenig von mir übrig geblieben ist? Genug aber, um glauben,<br />

hoffen und warten zu können.“ Als wir den Wagen erreichten, wandte er sich an<br />

uns alle:<br />

„Ade, meine Lieben, lebt wohl! Meine «Reise! naht ihrem Ende. Ich habe<br />

den «guten Kampf! gekämpft“, sagte er noch beim Abschied, indem er Apostel

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