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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 22<br />

Beobachtungsposten für den Feind war und dass er alles darum geben würde,<br />

ihn auszuschalten; andererseits, wie g<strong>ro</strong>ß unser Interesse war, ihn als den<br />

einzigen Ort, von wo aus wir alles bestens überblicken konnten, zu bewahren.<br />

Deswegen stellte die Spitze an der generell ruhigen F<strong>ro</strong>nt den einzigen<br />

permanent heißen Punkt dar. Angriffe und Gegenangriffe führten dazu, dass<br />

jeder e<strong>ro</strong>berte, verlorene oder wieder e<strong>ro</strong>berte Meter zahlreiche Leben kostete,<br />

so dass diese 50 Meter, welche die beiden feindlichen Linien trennten, mit<br />

unseren und ihren Toten, dezent in das weiße Leichentuch von Raureif und Reif<br />

gehüllt, bedeckt waren.<br />

Auch die Attacken ihrer Artillerie auf den Hügelflanken waren nicht<br />

effizient, dank dem schmalen, 10 m breiten Kamm, auf dem wir unsere<br />

Stellungen hatten und den sie beschossen. Ihre Beschießungen waren mal zu<br />

kurz und fielen auf den Abhang vor ihnen, mal zu lang und gingen über unsere<br />

Köpfe hinweg, um auf der anderen Seite in ihre Schützengräben zu fallen. Was<br />

die Flugzeugbombardements betrifft, so waren die Resultate für sie noch um<br />

einiges schlimmer, ging doch die Mehrheit der Bomben auf die Abhänge, auf ihre<br />

Köpfe nieder und niemals auf den 10 m breiten Kamm, auf dem wir<br />

ausgezeichnet geborgen waren. Aber die Sowjets gaben nicht auf, griffen<br />

unentwegt an, bei Tag und bei Nacht, ohne zu sparen, weder an Munition, noch<br />

an Menschenleben. Die Spitze jedoch fiel nicht.<br />

Allerdings war es kein Kinderspiel, drei Tage und Nächte lang unter fast<br />

ununterb<strong>ro</strong>chenem Maschinengewehr-, Minenwerfer-, Artillerie- und nicht selten<br />

unter Flugzeugbeschuss standzuhalten. Geschlafen werden konnte bloß nach<br />

Hasenart, ein, zwei Stunden lang, und zwar nur tagsüber, wenn das Feuer etwas<br />

nachließ. Nachts aber mussten wir die Augen überall haben, denn jederzeit<br />

konnte ein Überfall den Abhang herauf kommen, konnte der Feind sich auf dem<br />

Bauch heran<strong>ro</strong>bben, um uns eine Handgranate durch den Abzug des<br />

Unterstands zu werfen. Da ist es nicht verwunderlich, dass, als wir nach drei<br />

Tagen und drei Nächten erbitterter Kämpfe gegen Abend unter unendlichen<br />

Vorsichtsmaßnahmen von meinem Partner und seinen Leuten aus dieser<br />

Teufelsquadrille abgelöst wurden, und ich mich mit meinen Mannen zu den<br />

Unterständen der Geschützbatterie begab, wir uns bekreuzigten und Gott dafür<br />

dankten, dass er uns auch dieses Mal lebend hatte davon kommen lassen.<br />

Dort aber wartete auf uns Sandu S=mbotin, aktiver Unterleutnant, mein<br />

Freund und Kamerad in den schweren Prüfungen während unserer Kampagne<br />

vom vorigen Jahr in Odessa. Wartete auf uns mit Töpfen voll heißen Wassers<br />

zum Baden und Entlausen, das er auf dem Herd gekocht hatte, dazu mit einem<br />

warmen Essen, mit einem T<strong>ro</strong>pfen Wein, einem a<strong>ro</strong>matischen Kaffee und einer<br />

feinen Zigarette. (Gott weiß, woher er die bloß beschafft hatte.) Und die drei<br />

Tage über, die wir in der Batterie blieben, durften wir keinerlei Arbeit verrichten,<br />

sondern bloß schlafen, lesen oder Post erledigen, zur Entkrampfung nach der<br />

Angespanntheit der Hölle, aus der wir kamen und in die wir zurückkehren sollten.<br />

An jenem Abend aber befand sich mein Freund S=mbotin nicht in bestem<br />

Zustand. Er saß auf dem Bettrand und, während er sein Schuhzeug eincremte,<br />

ein Paar neue, sehr schöne englische Bürgerstiefel, teilte er mir die Neuigkeiten<br />

der letzten Tage mit.

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