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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 365<br />

g<strong>ro</strong>ßen Dame der – rumänischen – Poesie. Und seither frage ich mich: „Was<br />

haben nur diese Dichterinnen mit den Katern?“)<br />

Aber jenseits der heiteren Seite der Details war der P<strong>ro</strong>zess an und für<br />

sich ein tragischer. Er zeigte auf, in welchem Ausmaß es sich die Macht in einer<br />

kommunistischen Gesellschaft – zu der hin auch unser Land geführt wurde –<br />

erlaubte, in die heilige Intimität des Schöpfungsp<strong>ro</strong>zesses einzugreifen.<br />

Er war auch eine Vorankündigung der P<strong>ro</strong>zesse, die den Spitzen unserer<br />

Intellektualität inszeniert wurden, weil sie die Mitarbeit oder den Komp<strong>ro</strong>miss mit<br />

dem sowjetischen Besatzer und die Umkehrung der Wertehierarchie ablehnten.<br />

Und weil wir schon beim Kulturleben unseres Landes und dessen<br />

Widerspiegelung in der Sowjetpresse sind, möchte ich festhalten, wie sehr wir<br />

moralisch darunter litten, wenn wir von den Kapitulationen unserer g<strong>ro</strong>ßen Träger<br />

geistiger Werte, unserer Dichter, Erzähler, Künstler und Denker lasen, die von<br />

der Iswestija oder der Prawda triumphierend verkündet wurden. Ihre Werke<br />

waren unsere Laren und Penaten. Ihnen entnahmen wir fein gefiltert Kraft und<br />

Leben für unseren Widerstand. Und nun, mitten im Kampf, fehlte uns gerade<br />

dieses stärkende Mittel, gewahrten wir es gar in den Händen des Feindes!<br />

Man könnte sagen, dass der ästhetische Wert eines Werkes im Grunde<br />

genommen von den Stürzen oder Abstürzen seines Autors nicht in<br />

Mitleidenschaft gezogen wird. Stimmt auch, der ästhetische leidet nicht darunter.<br />

Aber der absolute Wert? Der Lebenswert seines Werkes? Seine<br />

seelenerlösende Bestimmung für den, der es liest? Denn jenseits vom<br />

ästhetischen Wert und über diesem stehend gibt es noch etwas. Wenn die<br />

Kunst, diese Finalität ohne Zweck (eine zwecklose Zwecktätigkeit 157 , wie Kant<br />

sagt), t<strong>ro</strong>tzdem einen Zweck hat, kann dieser nichts anderes als die Erlösung<br />

sein. Sagte denn nicht Dostojewski (im Idioten), die Schönheit werde die Welt<br />

erlösen? Und wenn die Schönheit eines Werkes nicht die Kraft besitzt, jenen zu<br />

erlösen, der es verfasst hat, wie sollte es da jenen erlösen, der es liest?<br />

Deswegen füllte Arghezis Umfallen meine Seele mit tiefer Traurigkeit. Ich<br />

hatte in Oranki eine kritische Studie zu Arghezi zurückgelassen, der einiges an<br />

Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Darin beleuchtete ich gerade den<br />

soteriologischen Wert der Verse Arghezis, deren Öffnung hin zur Tiefe unseres<br />

Lebens, die wir auch noch Gott nennen, ihre belebende, therapeutische<br />

Fähigkeit, unsere kranken Seelen zu stärken und zum Kampf zu erheben. Aus<br />

jedem seiner Verse hatte ich eine Losung für unseren Widerstand gemacht und<br />

ein moralisches Ideal aus den Zeilen „Der unberührt den Schmutz berührt/ Und<br />

den Weg auch bis zum Himmel führt/ Und eisern bleibt, so er aus Eisen,/ Der<br />

Rost mag sich ihm fremd erweisen.“ 158<br />

Wie sollte ich nun meinen Kameraden noch in die Augen schauen, denen<br />

ich Sirup eingeschenkt hatte, wo ich behauptete, es sei belebender Wein?<br />

Als ich dann über das tragische Schicksal des Dichters nachdachte, der<br />

gezwungen worden war, sich von allem loszusagen, was göttlich in ihm<br />

gewesen, verstand ich seinen aufwühlenden Vers aus dem Gedicht<br />

„Duhovniceasc\“ (Geistliches)als Vorausahnung: „Ich bin vom Kreuz geflohen.<br />

157 Deutsch im Original.<br />

158 „Acel ce-atinge neatins no<strong>ro</strong>iul / $i poate duce drum #i pân la cer / $i s! r!mân! fier, de este fier, /<br />

Rugina’n el s! nu-#i pun! altoiul.“

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