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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 430<br />

Gefängnisse und vor jene Karikatur von Justiz geschleppt wurden, wie es ihre<br />

Militärtribunale waren.<br />

Unser verzweifelter und he<strong>ro</strong>ischer Kampf dafür, „Menschen zu bleiben“<br />

bis zum Schluss und mit erhobenem Haupt, ohne das Zeichen der Bestie auf der<br />

Stirn, heimzukehren, endete in Oranki apotheotisch durch unseren Sieg,<br />

infolgedessen man in Moskau gezwungen war, uns zu repatriieren, und in<br />

Bukarest, uns zu übernehmen.<br />

Aber zu jenem Zeitpunkt wussten wir in Morschansk noch absolut nichts<br />

von dem dort Geschehenen und auch nichts von der Repatriierung der Mehrheit<br />

unserer Offiziere, aber die von den Sowjets in Oranki begonnene Operation<br />

muss sich auch auf uns ausgewirkt haben, die wir in Morschansk waren, sowie<br />

auf alle anderen vereinzelten Gruppen von Soldaten im riesigen sowjetischen<br />

Lagerraum.<br />

So etwa wurden wir Anfang Juni, an einem richtigen Sommertag, alle zum<br />

Tor bestellt, und zwar nicht bloß mit dem Gepäck, sondern auch mit den<br />

Matratzen. Dies bedeutete Abtransport. G<strong>ro</strong>ße Freude allerseits! Nach einigen<br />

Stunden des Wartens in der unbarmherzigen Sonne kam der Offizier vom Dienst<br />

mit einer Liste und begann, sie uns vorzulesen. Wer seinen Namen hörte, ließ<br />

seine Matratze und trat mit dem Gepäck zum Tor hinaus. Nachdem er etwa 40<br />

Namen vorgelesen hatte – darunter sich meiner natürlich nicht befand – steckte<br />

der Offizier die Liste in die Tasche und befahl uns, den Übriggebliebenen, mit<br />

einem unverhohlenen Grinsen, unsere Habseligkeiten sowie die Matratzen zu<br />

nehmen und in die Baracke zurückzukehren. Es war augenscheinlich, dass die<br />

Verwaltung, die uns unseren Streik vom Vorjahr verübelte, uns alle zusammen<br />

hinbestellt hatte, obwohl sie wusste, dass wir nicht alle aufbrachen, um uns zu<br />

demütigen und die Pille für uns Zurückbleibende noch bitterer werden zu lassen,<br />

indem sie uns zwang, in der gleißenden Sonne mit unserem Gepäck auf der<br />

Schulter und die Matratzen hinter uns her schleifend im Angesicht des gesamten<br />

Lagers zur Baracke umzukehren. Die Sowjets hatten es sich auch diesmal nicht<br />

verkneifen können, zu zeigen, wie klein und niederträchtig rachsüchtig sie waren.<br />

Wir waren gar nicht erst dazu gekommen, uns von unseren heimkehrenden<br />

Kameraden zu verabschieden, warteten diese doch jenseits des Tores, in der<br />

Annahme, wir kämen nach.<br />

Was die Zusammensetzung der Gruppe betrifft, so umfasste sie einen<br />

kleinen Teil der ehemaligen Streikenden – selbstverständlich jene, die vom<br />

NKWD als weniger gefährlich eingestuft worden waren, darunter sich, zu unserer<br />

Genugtuung auch der kleine }ena, der mit der Kugel in der Lunge, sowie sein<br />

Kumpel Ene befanden, dann waren etwa die Hälfte der „Moderaten” dabei und<br />

schließlich die Hälfte ihrer Kreaturen, der freiwilligen Antifaschisten, sowie auch<br />

ein Teil der Spitzel (die Verwaltung konnte es nicht übers Herz bringen, uns alle<br />

wegzunehmen).<br />

Das Innere der gerade verlassenen Baracke war desolat.<br />

Zurückgelassene Klamotten, hie und da ein paarloser Schuh, St<strong>ro</strong>h, das aus den<br />

Kissen heraus gefallen war, eben ein aufgegebener Ort. An dem wir den Müll in<br />

der Eile des Aufbruchs dagelassen hatten und an den wir nun gedemütigt<br />

zurückkehrten. Da wir keine Kraft mehr hatten, auch nur irgendwie Ordnung zu<br />

machen, ließen wir unser Gepäck und die St<strong>ro</strong>hsäcke auf den Fußboden fallen

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