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radu m|rculescu - Memoria.ro

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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 75<br />

Schnee sinken. Die Menge brach in Hurrarufe aus. Ein Zweiter Bub folgte dem<br />

Beispiel des ersteren, nahm auch Anlauf und streckte einen weiteren Fritz nieder<br />

und so weiter, bis der Marktplatz sich, im Delirium der Menge, mit in den Schnee<br />

gefallenen „Fritzen“ füllte.<br />

„Hab ich’s euch denn nicht gesagt?“, ergriff der Sergeant triumphierend<br />

erneut das Wort, „sogar ein Kind streckt sie nieder.“ Da bahnte sich mit seinen<br />

Krücken ein Invalide ohne ein Bein, halb in Zivil-, halb in Militärkleidung, mit<br />

Orden auf der Brust, durch die exaltierte Menge und wendete sich direkt an den<br />

Sergeanten:<br />

„Hör mal her, du Held, mit diesen Unglücklichen da kämpfst du? Schämst<br />

du dich denn nicht? Und du willst die Menschen damit betrügen, dass auch die<br />

anderen an der F<strong>ro</strong>nt nicht anders als diese Schatten hier sind? He, du Tapferer,<br />

seit wie vielen Tagen haben diese armen Schlucker da, die du niedergestreckt<br />

hast, denn nichts mehr zu essen bekommen?“<br />

„Hol sie der Teufel! Woher soll ich denn wissen, seit wann sie nichts mehr<br />

gegessen haben?“ Ein Deutscher aber, der die Frage mitbekam, stützte sich auf<br />

und zeigte zweimal je vier Finger.<br />

„Seit acht Tagen! Hört, seit acht Tagen haben die Armen nichts<br />

gegessen“, seufzte eine alte Frau, „nimm, mein Sohn, für das Seelenheil meines<br />

Enkels“, holte aus ihrer Tasche ein Stück B<strong>ro</strong>t hervor und streckte es dem<br />

Deutschen hin. Dieser erhob sich flink aus dem Schnee, ergriff das B<strong>ro</strong>t und rief<br />

aufgeregt, da er nicht wusste, wie er anders dem Mütterchen danken konnte,<br />

„Hitler kaputt!“ 34<br />

„Nein, mein Sohn, nicht so!“, verbesserte ihn die alte Frau. „Sag<br />

Bogdap<strong>ro</strong>ste 35 und der Herr mag ihm verzeihen.“ Gleichzeitig gingen auch<br />

andere Frauen zu den „Fritzen“, die überraschend schnell aus dem Schnee<br />

aufstanden, um die Almosen entgegenzunehmen, die sie dann rapide<br />

hinunterschluckten, zwischen einem „Hitler kaputt!“ und einem zerquetschten,<br />

dankbaren „Bogdap<strong>ro</strong>ste“.<br />

„Nimm, für meinen Sohn!... Für meinen Mann!... Für meinen Bruder!“<br />

wiederholten die Frauen mit Tränen in den Augen und klagender Trauerstimme.<br />

Da war plötzlich, mitten aus dieser tränenreichen Szene heraus, die fast zu einer<br />

Totengedenkfeier wurde, erneut die dröhnende Stimme des Invaliden zu hören,<br />

der eine seiner Krücken gen Himmel hob und vehement über die einfältige<br />

Barmherzigkeit dieser Weiber ohne Verstand schimpfte.<br />

„Genug, ihr Frauen, haltet an, Irre, ihr, was, seid ihr denn<br />

übergeschnappt? Wem gebt ihr denn ein Almosen für eure Männer, Kinder und<br />

Enkel? Diesen da, die sie umgebracht haben? Für einen Invaliden, der für sein<br />

Vaterland ein Stück seines Leibes hergegeben hat, findet sich kein Stück B<strong>ro</strong>t.<br />

Gut, dass welches gefunden wurde für diese Mörder da, die unsere Dörfer und<br />

Städte niedergebrannt haben, unsere Kinder getötet, unsere Frauen und<br />

Mädchen geschändet haben! Ha, wenn das der sowjetische Patriotismus sein<br />

soll! Schämt euch!“<br />

34 Deutsch im Original.<br />

35 Vergelt’s Gott!

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