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Radu M!rculescu: Leid und Erleuchtung in der sowjetischen Gefangenschaft 478
Platinplatte am Kopf, der auch am meisten von allen M.P. auf die Schippe nahm)
war hervorragend, legte der Redner doch echte didaktische Fähigkeiten, Klarheit,
Bündigkeit und Logik an den Tag, gerade so als hielte er eine Vorlesung an der
Uni.
„Meine Herren Offiziere, heute werden wir über den Sprint sprechen“,
begann er. „Der Sprint ist eine Einbruchaktion, die morgens zwischen 10 und 11
Uhr stattfindet, zu einer Uhrzeit, da die Hausfrauen auf dem Markt sind. Als
erstes muss natürlich das Schloss geknackt werden. Ist die Tür von innen
zugesperrt, kratzt man mit einem Diamant einen Kreis, dann nimmt man ein
Stück Mamaliga 184 , klebt es ins Zentrum des Kreises und drückt kräftig dagegen.
Das Glas fällt mit der Mamaliga nach unten und macht keinerlei Lärm. Und nun,
Achtung! Der Sprint ist eine trockene Aktion.“
„Was ist das denn, eine trockene Aktion?“, fragte ihn Pascu.
„Es gibt zwei Kategorien von Aktionen: nasse und trockene. Die nassen sind mit
Blut, die trockenen ohne Blut. Passen Sie nun auf, was ich Ihnen sage! Wenn
Sie einen solchen Einbruch planen, sorgen Sie dafür, ja kein Messer
dabeizuhaben…“
Die Empfehlung weckte Gelächter, und in der entstandenen guten
Stimmung fuhr der Sprecher fort: „… denn im unglücklichen Fall, dass Sie
erwischt werden und zum Messer greifen, sei es auch nur, um damit zu drohen
und flüchten zu können, greift für Sie das Strafgesetzbuch mit dem Artikel
bewaffneter Raubversuch, der mit «n! Jahren bestraft wird. Während Sie für
Raubversuch durch Einbruch mit bloß ein paar Monaten Knast davonkommen,
wonach Sie in Ruhe wieder ihrer Beschäftigung nachgehen können.
Habt keine Angst vor dem Gefängnis! Sorgt bloß dafür, dass ihr draußen
soviel Geld zurücklasst, wie viel nötig ist, damit man euch Pakete und
Bakschisch für die Wärter schicken kann! Auf diese Weise wird das Gefängnis
für euch zum Kur- und Studienaufenthalt.“
M.P.s Vortrag weckte in mir, trotz seines Witzes, ein Gefühl des
Unbehagens. Ich entdeckte durch ihn eine Welt unterhalb der unsrigen, mit ihren
besonderen Gesetzen und Werten, mit eigener Moral, in der sogar das
Gefängnis mit seinem Freiheitsentzug ein selbstverständlicher Bestandteil war.
Diese parallele Welt, als eine mögliche Alternative zu der unsrigen, veranlasste
mich, zu befürchten, dass in unserer „normalen“ Welt etwas nicht „normal“ ist.
Ich schließe dieses Porträt Mitic\ Pu[tius und seines Undergrounds mit
einer der vielen Einbruchsgeschichten, die seine Zuhörer belustigte. Nämlich mit
der Geschichte von der „alten Bojarenfrau“.
Nach einer langen Abwesenheit aus gesegneten Gründen
(Knastaufenthalt) kehrte Mitic\ in seine Heimatstadt Br\ila zurück und beschloss,
seine Berufstätigkeit mit einem Sprint bei einer alten Gutsfrau wieder
aufzunehmen, die er im Vorfeld fachmännisch ausstudiert hatte. Ein
Unterfangen, das er seinerzeit unterbrochen hatte und nun zu gutem Ende
führen wollte. Er drang in die Wohnung auf die bekannte Weise ein.
Überraschung: Das ehemals – gemäß den gesammelten Informationen – mit
Luxusmöbeln, Perserteppichen und teuren Gemälden voll gestopfte Appartement
184 Rumänisch „m!m!lig!”: feste Polenta, die mit einem Faden in Scheiben geschnitten werden kann.