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In the army now<br />
Kurz vor den Sommerferien rücken die seeseitigen Landesverteidiger in Wustrow an.<br />
Mindestens fünfzigtausend Mark Gehalt sitzen mit geflochtenen Schulterstücken in der<br />
Mensa. Die Seeoffizierschule „Karl Liebknecht“ der Volksmarine in Stralsund, volksmündlich<br />
„Schwedenschanze“ genannt, nimmt sich nun in den Semesterferien so richtig unserer an<br />
und wir sollen nun, in der Mensa zusammengetrommelt, uns darüber in Heiterkeitsausbrüchen<br />
erkenntlich zeigen und vor Freude auf die Schenkel schlagen. Statt dessen läßt ein lautes<br />
Murren die Stralsunder Admiräle die Augenbrauen heben. „Genossen, wir sind Seeleute und<br />
sie sind Seeleute, wir werden uns gut verstehen“ konstatiert eine hohe Charge im Präsidium.<br />
Bei: „Wir sind Seeleute“ intensiviert sich das Raunen im Studentenpulk und die militärischen<br />
Gesichter im Präsidium verfinstern sich. Die christliche Seefahrt war sich doch mit der kaiserlichen,<br />
seit der Erfindung des Einbaums, noch nie ganz grün.<br />
Zu Ferienbeginn werden hundert „Schaulers“ mit Sonderbussen zum Bahnhof Ribnitz-<br />
Damgarten gebracht. Die Reichsbahn bringt uns nach Stralsund, zur einmonatlichen Einweisung<br />
in die Geheimnisse des seeseitigen Schutzes des Vaterlandes.<br />
Unsere Vorbereitungen für dieses wichtige Ereignis beschränken sich vor dem viel lieber<br />
gehabten Ferienbeginn, in der Beschaffung eines „Persil“-Karton. „ATA“, “WOK“,<br />
„GENTHINA“ werden auch akzeptiert, aber Waschmittel-Aufdruck muß. Ferner als Anzugsordnung<br />
Jeanshose und Lederjacke, Stoffturnschuhe für 6,30 DM. Wenn nicht im Besitz,<br />
borgen! Weiß der Teufel, wer diese Anordnung heraushaut, aber sie wird von 100 Seefahrtstudenten<br />
einhellig befolgt, von den Fischern (den B-Patenten), den Nautikern (den<br />
A-Patenten) und den <strong>Funker</strong>n, (den F-Patenten), den einjährigen, den zweijährigen und den<br />
schon fertig Studierten. Von Egon diesmal nicht, der kommt gar nicht erst mit, der ehemalige<br />
Hauptmann befreit sich selbst und widmet sich seiner 350-iger Jawa.<br />
In den zusätzlich von der Reichsbahn angehängten Sonderwagen, die uns nach Stralsund<br />
bringen, schmunzelt schon der Schaffner über die beeindruckende Ausstaffage seiner Passagiere.<br />
Jeder dieser Reisenden führt als Reisegepäck einen mit Bindfaden verschnürten<br />
Waschmittelkarton am Mann. Jeder Passagier ist mit blauer Jeanshose, Lederjacke und Stoffturnschuhen<br />
bekleidet.<br />
Nur einige Kästen Bier lockern das monotone Bild der Einheitsbehältnisse auf.<br />
Um unsere Ranger-Einheit noch werbewirksamer ins rechte Licht zu setzen, empfängt uns<br />
auf dem Stralsunder Bahnhof die Militärkapelle der Seeoffizierschule „Karl Liebknecht“ der<br />
Seestreitkräfte der Deutschen Demokratischen Republik.<br />
Dem letzten Waggons entsteigt jedoch ein gut organisierter Einheitshaufen, der es doch<br />
offensichtlich darauf angelegt hat, die Seeleute der NVA mit ihren Kampfblechen nicht so<br />
tierisch ernst zu nehmen, oder genauer gesagt, zu verscheißern. Ich hätte als Kommandierender<br />
in dieser Situation diesen Haufen in gedeckter Truppenführung auf Schleichwegen klammheimlich<br />
die fünf Kilometer bis zu „die Objekt“ am Strelasund geleitet. Statt dessen lockt<br />
deftige Marschmusik jeden Stralsunder an die Fenster und den Straßenrand, um diese Werbeveranstaltung<br />
der DDR-Waschmittelhersteller zu begrinsen.<br />
Der erste Stich geht voll an uns, einige weitere auch noch, aber das Spiel gewinnen die<br />
Kampfblech-Kommandeure. Die machen uns im Gegenzug auf der Schwedenschanze mit<br />
Heimvorteil ordentlich die Hacken warm. Jeden morgen früh um sechse:“ Komm‘se hoch, die<br />
Sonne lacht ihn’ an!“ beschließt unser pfiffiger Spieß, als Mutter der Kompanie. „ Auf, auf,<br />
ihr müden Leiber, die Pier steht voller nackter Weiber!“ und das evt. noch als Tatsachenbericht,<br />
wäre uns lieber gewesen.