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„Einweisung in die UHA“ lese ich auf der Kladde, in der meine mitgeführten Reichtümer<br />
gewissenhaft aufgelistet werden. Als ich den letzten Socken ausziehe, komme ich drauf:<br />
„Untersuchungs-Haft-Anstalt“. In meiner Blöße auf dem kalten Linoleum wird es mir zunehmend<br />
mulmiger. Machen die hier eine Übung mit mir, bin ich <strong>bei</strong> versteckter Kamera,<br />
Außenseiter-Spitzenreiter. Ich verstehe die Welt nicht mehr, den Genossen aber schon:<br />
„ Hände vor - Finger spreizen - Zehen spreizen (kann ich nicht) - Mund auf - Zunge raus -<br />
Vorhaut zurück - Bücken - Gesäßbacken auseinander!“ Der Genosse Proktologe nimmt im<br />
Schein seiner gebündelten Taschenlampe ein sachkundiges Auge und leuchtet auch sonst<br />
noch in alle Nischen meines Alabasterkörpers.<br />
Es klingelt das Telefon, murmelnde Kommunikation. „Anziehen! Gehen sie links, nach oben,<br />
nach oben, Gittertür, nach oben, rechts.“<br />
Der Rothaarige mit dem Schlips bekniet mich weiter. Zwei Stunden Pause, zwei Wurststullen,<br />
Kaffee, leider ohne alles.<br />
Danach beginnt das Verhör wieder und mein Sodbrennen. Ich bitte um meine eingetüteten<br />
Natron-Tabletten. Der Toiletten-Aufsichts-Genosse bringt auf einem Porzellanlöffel eine<br />
„Simagel“. Die wirkt <strong>bei</strong> mir nur 10 Minuten.<br />
Das Verhör dauert aber noch erheblich länger, aber immer wieder mit Pausen.<br />
Die ein- oder andere Aussage läßt sich nicht nachprüfen, das Schiff ist bereits auf See.<br />
„Bis ihre Oberstewardeß zurückkommt, behalten wir sie sowieso hier“.<br />
Der andere wird zunehmend fies, ich merke, der will mich einlochen.<br />
Ich halte mein Plädoyer: „20 Jahre fahre ich zur See und kenne die Schiffe unserer Flotte und<br />
alle ihre Winkel. Ihre ausklarierenden Genossen treffen mich aufbruchbereit in der Kammer<br />
der Oberstewardeß und nicht etwa versteckt. Jedermann wußte, daß ich an Bord bin.<br />
Ich habe meinen Dienstausweis abgegeben und bin im Besucherbuch registriert. Das hätte<br />
ich als Insider wirklich locker umgehen können. Ich will ausbüchsen und nehme 32,57 Mark<br />
und ein Röhrchen Natrontabletten mit? Keine Ausweise, Zeugnisse, Dokumente? Vor dem<br />
Hafentor steht mein „Polski Fiat“ für vierundzwanzigtausend Mark. Schätzen sie mich für so<br />
dusselig ein?“<br />
Wieder Pause. Ich frage nach der Uhrzeit, meine Armbanduhr ist eingetütet. Der Raum hat<br />
keine Fenster. Mir kommt alles eine Ewigkeit vor.<br />
„Mitkommen, links, nach unten, halt.“ Ich werde in einen Raum gebracht, den ich dem kalten<br />
kargen Gemäuer nicht zugetraut hätte, richtig kuschelig. Schrankwand, Couch und Sessel,<br />
Blumenbank mit Grünpflanzen in Erde.<br />
Ein Bild von Honni, Mielke oder so einem anderen Schild und Schwert der Partei an der<br />
Wand.<br />
Sandra wird hereingebracht, man läßt uns allein.<br />
„Ich denke du bist in Lulea“? staune ich los. Ehe wir uns in die Arme fallen, fällt uns etwas<br />
anderes ein: Die Bude ist verwanzt, daher die kuschelige Ausstattung, für Mikros und<br />
Kameras. Statt Sandra, drücke ich Ruhe gebietend den Finger auf die Lippen und Sandra<br />
mich auch nicht etwa ans Herz sondern <strong>bei</strong>seite. Sie kniet, wie Ali Achmed zum Freitagsgebet<br />
vor der Blumenbank nieder und wühlt dort im humösen Substrat. 120 Westmark steckt sie mit<br />
verdreckten Fingern schnell in den BH.<br />
Nach meinem Abtransport von Bord, mußte auch sie schnellstens und nur das Dringlichste<br />
zusammenpacken, Seefahrtsbuch, DPA, Haustürschlüssel und Zahnbürste. Der Rest ihrer<br />
Habe bleibt an Bord und fährt mit nach Lulea. 120 DM-West sind unsere stille, nicht<br />
angemeldete Reserve und ein DDR-Vermögen!<br />
Aus der Sicht des Zolls: Devisenschmuggel!<br />
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