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Im letzten Jahr vor der Revolution erntete Kuba sieben Millionen Tonnen Rohrzucker. Zwei<br />
Jahre nach der Revolution beträgt die Ausbeute gerade noch drei Millionen Tonnen.<br />
Inmitten dieser miesen Ernte nun, wackelt auch noch das ganze Land tagelang mit den<br />
knackigen Popos und huldigt ausgiebig dem Karneval.<br />
Zwei, drei Jahre hat Fidel sein Volk austoben lassen, in der Illusion, die Befreiung vom<br />
Kapitalismus, ist auch die Befreiung von der Ar<strong>bei</strong>t. Die eroberten Warenlager waren ja noch<br />
gut gefüllt. Die Kombination der Annehmlichkeiten des Sozialismus, gepaart mit dem einkassierten<br />
Warenangebot des amerikanischen Marktes, wurde allerorts jubelnd begrüßt. Die<br />
sozialistischen Länder umarmten Fidel und karrten ihrerseits alles nach Kuba, was sie irgendwie<br />
aufopfernd entbehren konnten.<br />
Jetzt ist Schluß, kommandiert 1962 Fidel Castro. Die hübschen Mädchen, die die amerikanischen<br />
Geschäftsleute nach 20 Flugminuten von Florida so zu schätzen wußten, brechen sich<br />
nun die gepflegten Fingernägel <strong>bei</strong> der Tomaten- und Paprikaernte ab.<br />
Fidel zieht alle Register. Jeder, der einigermaßen entbehrlich ist und eine Machete halten<br />
kann, ob Verkäufer, Banker, Beamter wird abkommandiert. „Estamos en cana“ steht so als<br />
Aufkleber vor so mancher Büro- und Ladentür.<br />
Kein Schwanz aber will freiwillig in die „cana“.<br />
Wir sitzen in Nuevitas <strong>bei</strong> Cuba-Libre mit Eis und Limetten auf der Terrasse eines bescheidenen<br />
Lokals, da bricht um uns die Hölle los. Alles rennet, rettet, flüchtet.<br />
Wie Attilas Hunnen einst in Europa, sind hier uniformierte Häscher über die Kleinstadt<br />
hergefallen und die sind nicht zimperlich.<br />
Der Ort ist abgeriegelt, jede männliche Person wird dokumentenmäßig überprüft. Wir friedliche<br />
Rum-Trinker auch.<br />
Ohne Betriebsausweis ist jeder Kubi jetzt übel dran.<br />
Wer keine Ar<strong>bei</strong>tsstelle nachweisen kann, geht per nachhelfenden Tritt in das Gesäß erst auf<br />
den LKW und dann ab in die „cana“.<br />
Ich habe mir mit ein paar gleichfalls Wißbegierigen einen Tag kubanische Zuckerrohrernte<br />
studienhalber auch gegönnt.<br />
Nur interessenhalber und als sozialistische Hilfe verbrämt.<br />
Die kubanischen Companeros stehen unserer 6-Mann-Bitte, uns einen Einblick in ihre „cana“<br />
zu ermöglichen, sehr aufgeschlossen gegenüber. Ich bin doch Gewerkschaftshäuptling an<br />
Bord und muß kulturelle Höhepunkte schaffen, zum Ausgleich für die erlebnislosen Seetage.<br />
Ein Artikel im Brigadetagebuch dokumentiert danach die gute Tat, für die gemeinsame<br />
sozialistische Sache.<br />
Heute mag man darüber lächeln, aufschlußreich und interessant war es trotzdem.<br />
Schon von See aus fällt uns im Frühjahr das rauchende Kuba auf. Es brennen die Zuckerrohrfelder.<br />
Die Wälder wurden schon vor dreihundert Jahren abgebrannt.<br />
Wahrscheinlich kennt nicht jeder meiner Leser eine Zuckerrohrpflanze. Sie ähnelt einer Maisstaude.<br />
Zur Zuckergewinnung ist aber nur der kahle Strunks von Interesse. Um das uninteressante<br />
Beiwerk von dem harten Zuckerrohr elegant loszuwerden, werden <strong>bei</strong> günstigem<br />
Wind die riesigen Felder angebrannt. Dann faucht prasselnd die Feuersbrunst durch die<br />
Plantage. Das Feuer frißt das verdorrte Blattwerk und es ragen nur noch die kahlen grünen<br />
Stangen in den Himmel.<br />
Das Feld ist brandmäßig aufbereitet.<br />
Also, auf geht’s.<br />
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