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und pünktlich vor dem Auslaufen die Rückgaben zurück rechnen. Das kostet Energie. Ich<br />
muß doch alles zu Fuß rechnen!<br />
Im nächsten Hafen, zum Monatsende, sitze ich über den 44 horizontalen und ca. 30 vertikalen<br />
Spalten meines riesigen Lohnabrechnungsbogens noch früh um 04.00 Uhr, den Tränen nahe,<br />
während meine Lohnempfänger weinselig vom Landgang in Constanza zurückkommen.<br />
Wir versegeln mit ein paar Tausend Tonnen Mais, in dem sehr tragfähigen Schiff, an die<br />
italienische Riviera nach Savona.<br />
Auf Reede umrunden unseren Luxusliner die schnuckeligsten Girls im Bikini mit Tretbooten.<br />
Wir flirten zu ihnen hinab und die Mädels zu uns herauf.<br />
In den Hafenkneipen kostet ein Humpen Rotwein mit Berg drauf 100 Lire, 60 Pfennig.<br />
An der Pier laden wir dann Reis in Säcken, aber nur bis zum nächsten Tag. Ein wichtiger<br />
Aufsichtshabender entdeckt in dem Mais - aus dem rumänischen Constanza - Kornkäfer<br />
und tobt ganz wild herum, weil mit diesem rumänischen Ungeziefer jetzt sein schöner italienischer<br />
Reis versaut ist. Es kommt eine vereidigte staatliche Aufsichtsbehörde und forscht in<br />
den Ladeluken herum, dann legt der Gutachter sein Ergebnis vor: „Der Mais aus Constanza<br />
ist o.k., aber der dazugekommene Reis ist voller Kornkäfer.“<br />
Der Italiener tobt nun nicht mehr wegen seines angeblich versauten Reises, aber wegen den<br />
Kosten, für die Ausgasung der gesamten Laderäume. Die bekam er natürlich als Verseucher<br />
aufgebrummt.<br />
Uns verbleibt ein wenig mehr Zeit, die schmackhafteste Rotweinsorte in Savonas Hafengastronomie<br />
herauszufinden. Das brauche ich einfach, um danach wieder kopfrechnen zu<br />
können.<br />
Der Tanz um den Weihnachtbaum<br />
Diese Reise und auch der Sommer gehen zu Ende. Ich diene auf verschiedenen Schiffen und<br />
vertrete die zur Stammbesatzung gehörenden Kollegen. Ich bin noch neu und muß mich in<br />
der Hierarchie erst hochdienen. So schaue ich auf kurzen Reisen mal hier und mal dort hin<br />
und natürlich, das ist doch völlig klar, erst recht über Weihnachten/Neujahr. Mit dem Dampfer<br />
WISMAR führt mich der Weg nach Hangö ins finnische Eis. Dort liegen jetzt zu Weihnachten<br />
die Schnapspreise in astronomischen Höhen, behaupten die alten Hasen auf dieser<br />
Fahrtroute. Jeder bunkert ordentlich „Schilkin-Wodka“ und scheißt sich damit an. Die Finnen<br />
gaben vor Weihnachten an ihre, wie immer nach Brennol lechzende Männerwelt anscheinend<br />
ausreichend Gutscheine aus, mit denen sie ihren Alkholspiegel wieder auffrischen<br />
konnten. Wir werden mit unseren an Bord sorgfältig vergrabenen Beständen mit<br />
spärlicher Nachfrage herb getroffen.<br />
Unter Protest versegeln wir im Neuen Jahr nach Klaipeda. Klaipeda hieß vor dem verlorenen<br />
Krieg Memel, was von dem hier in die Ostsee mündenden Fluß herrührt.<br />
Klaipeda liegt jetzt in der Litauische CCCR und wird russisch kommandiert.<br />
Über die Memelmündung toben heftige Winterstürme. Dampfer WISMAR geht mit Lotsenund<br />
Schlepperassistenz stevengerecht an die Pier, ragt mit dem Steven demzufolge ein wenig<br />
über die Kaikante und verplettet dem dort geparkten Kran einen Rüffel. Dieser überfordert<br />
die Statik der Konstruktion. Der Kran kippt um und fehlt dann <strong>bei</strong> den Umschlagsar<strong>bei</strong>ten<br />
und sein herumliegender Schrott behindert diese zusätzlich.<br />
Das Schiff legt unbeschadet nach der Sturmfahrt an der Pier an und wird gewissenhaft<br />
vertäut.<br />
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