Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Nach zwei Stunden haben die gerade diensthabenden Schützen die strahlend weiße Blume<br />
des hoppelnden Häschens erneut vor den Visieren. Sie unterbrechen das Schießen und<br />
machen umgehend Meldung: „Genosse Oberleutnant, pulverisierter Hase wieder anwesend.“<br />
Vier erlebnisreiche Tage gehen zu Ende. Wir brechen die Zelte ab, die Natur atmet hörbar auf.<br />
Der erlebnis-pädagogische Ausflug lief aus Sicht des Kommandierenden anscheinend wieder<br />
nicht optimal. Er ist ungehalten.<br />
Weil von drei mitzuführenden Decken aber wirklich am Mann nur noch zwei Platz finden, darf<br />
jeder Kämpfer, wie schon <strong>bei</strong>m Anmarsch, eine per LKW zurücksenden. Statt diesen vom<br />
Kommandierenden gereichten kleinen Finger dankend entgegen zu nehmen, reißen wir ihm<br />
fast <strong>bei</strong>de Hände ab, in dem statt der einen zugestandenen Decke, generell zwei, ja teilweise<br />
drei Decken im Seesack auf dem LKW verstaut werden.<br />
Das entgeht dem wachsamen Auge der Kompanieführung nicht.<br />
Eigenhändig prüft der Oberleutnant das Gewicht des Marschgepäcks der ihm am nächsten<br />
stehenden, abmarschbereiten Kopfglieder. Da er die ersten fünf Rucksäcke allesamt für zu<br />
leicht befindet, verbessert er mit Zuhilfenahme des Feldspatens deren Gewicht, durch Hinzugabe<br />
des reichlich verfügbaren Aushubs unserer Zeltgräben. Danach beschleunigt er diesen<br />
Prozeß flächendeckend durch Pärchenbildung und jeder schaufelt dann unter Aufsicht seinem<br />
Partner ein paar mehr Kilogramm auf den Rücken.<br />
Wie sich in „die Objekt“ <strong>bei</strong>m Ausschütteln unserer Klamotten herausstellt, leistete auch<br />
eine fette Kröte <strong>bei</strong> der Mehrbelastung ihres ahnungslosen Trägers ihren Beitrag. Diese<br />
zusätzliche Trainingseinheit bleibt unsererseits natürlich nicht unkommentiert.<br />
Ich stehe im Zug F1a, am Ende der Kompanie. Aus dem Glied heraus beschimpfe ich per<br />
Zwischenruf die „doofe Kompanieleitung“. Genosse Häher schaut genau in meine Richtung<br />
und mir fast in die Augen und ....er fragt nicht, wie üblich: „Wer war das?“, er befiehlt:<br />
„Vortreten!“<br />
Ich zucke mit der linken Hand, um meinen Vordermann zur Ausführung dieses Befehls zur<br />
Seite zu schieben. Dieser ist Parteisekretär meiner Parallelklasse und zischt, meine Reaktion<br />
bemerkend: „Stehen bleiben!“ durch die Zähne.<br />
Es folgt eine bedrohliche Stille.<br />
100 Mann stehen diesmal wirklich „stillgestanden“.<br />
Vor meinem Vordermann steht, herausgetreten Meister Witt, mein Zugführer und Klassenkamerad.<br />
„Meister Witt, wer war das?“ fragt jetzt bedrohlich der von mir so herb beleidigte<br />
Kommandeur. „Ich habe nichts gehört“ beantwortet Ali Witt ohne zu zögern in seiner ruhigen<br />
Art diese Frage.<br />
Im Objekt wird er dann von einem Gremium hochrangiger Führungspersönlichkeiten heftig<br />
zur Lüftung dieses Geheimnisses bedrängt.<br />
Hundert Mann und Ali schweigen wie ein Grab.<br />
„<strong>Felix</strong> reiß dich am Riemen, du bringst mich und uns alle <strong>bei</strong> diesem Verein hier in Teufels<br />
Küche!“ ist Alis wohlgemeinter Rat, nach seinem standhaften Verhör. Alfred Witt war ein<br />
prima Kumpel, starb aber nach unserer Armeezeit bereits nach zehn Jahren Seefahrt an einem<br />
Krebsleiden.<br />
Nachdem auf unserem abgebrochenen Campingplatz Meister Witt keinen Beitrag zur Aufklärung<br />
des schwerwiegenden Disziplinarvergehens leistet, kommt das übliche inoffizielle<br />
Kommando: „Na gut“. Eingeweihte wissen jetzt, daß diesem stets ein offizielles und generell<br />
äußerst unangenehmes folgt und das heißt für diesen speziellen Vorfall, statt: „Rechts um“<br />
schlicht und einfach „Links um“.<br />
18