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Radio“ hat den Hut auf. Ich lasse im Hintergrund die 500 KHz laufen und erledige die<br />
anliegenden Ar<strong>bei</strong>ten. Hat „Rügen Radio“ etwas vorliegen, was sagt der Wetterbericht vom<br />
englischen „Land’s End Radio“?<br />
Ich fahre zusammen, im Notverkehr höre ich ein Rufzeichen der Reederei. Das Rufzeichen<br />
von MS FIETE SCHULZE spielt in dem Notverkehr eine gewisse Rolle. Ich drehe den Empfänger<br />
lauter. Mit der sich verringernden Distanz zu dem Ort des Geschehens, verbessert<br />
sich auch die Erkennbarkeit der Zeichen. Man sucht im Seegebiet auf 45 Grad N und 10 Grad<br />
W nach Schiffbrüchigen des MS FIETE SCHULZE. Ich rufe den Kapitän an, der wird jetzt<br />
genau so blaß, wie ich es schon bin. MS JOHN BRINCKMAN hält sich auf dem Kollisionsschutzweg<br />
des englischen Kanals nun hart an Steuerbord, um nach Passieren der letzten<br />
englischen Landmarke schnellstmöglichst auf das Seegebiet zuzusteuern, in dem die FIETE<br />
SCHULZE wahrscheinlich in der Nacht gesunken ist.<br />
Der Chief legt noch ein paar Propellerumdrehungen zu. In der Biscaya steht noch erhebliche<br />
Restsee vom durchgezogenen Tiefdruckgebiet.<br />
MS FIETE SCHULZE hatte in Rotterdam 8.000 Tonnen Roheisen in Form von Masseln<br />
geladen, um diese via Panama-Kanal nach Japan zu verbringen.<br />
Für so eine Ladung ist der Stückgutfrachter nicht gerade optimal ausgelegt.<br />
Am 21.September 1967 verrutscht kurz nach Mitternacht in den Laderäumen in einzelnen<br />
Partien die Ladung. Das Übergehen der Ladung führt schließlich zu einer Krängung des<br />
Schiffes von mehr als 70 Grad. Diesem Wasserdruck halten dann Schotten und Bulleye’s der<br />
oberen eingetauchten Decks nicht mehr stand. Evt. haben <strong>bei</strong>m Übergehen der Ladung die<br />
Eisenmasseln auch ein Leck in die Bordwand geschlagen.<br />
MS FIETE SCHULZE versinkt um 01.35 Uhr über den Achtersteven. Das Schiff wird ohne<br />
erkennbare Organisation in dramatischen Einzelaktionen verlassen.<br />
MS FIETE SCHULZE sendet am 21. September 1967 um 00.47 Uhr per Tastfunk auf 500 KHz<br />
eine Seenotmeldung. Dieser Notruf wird von der englischen Küstenfunkstelle „Land’s End<br />
Radio“ empfangen. Die SOS-Meldung läßt mein Kollege auf MS FIETE SCHULZE automatisch<br />
tasten. Dafür benutzt er den Notrufgeber, in dem er mittels Drehknöpfen die einzelnen<br />
Ziffern für die Position vorher einstellen muß. Auch N oder S für die Breitenangabe und<br />
O oder W für die Länge muß berücksichtigt werden. Ein gewissenhafter Funkoffizier hält in<br />
diesem Gerät den gegenwärtigen Schiffsort ohnehin immer auf dem laufenden. In dem<br />
empfangenen Notruf fehlt in der Positionsangabe der nördlichen Breite die Ziffer, die die<br />
Minuten des Schiffsortes angeben müßte. Entweder hatte die Abtastautomatik des Notrufgebers<br />
<strong>bei</strong> der Übermittlung dieser Zahl einen Hacker oder dem englischen Kollegen von<br />
Land’s End ist ein Hörfehler unterlaufen.<br />
Das Versagen der Technik erscheint mir wahrscheinlicher.<br />
Bei Land’s End Radio sitzen keine heurigen Hasen.<br />
„Coruna Radio“, in dessen Seegebiet sich die Katastrophe in der Nacht abspielt, weiß erst<br />
einmal von gar nichts. Der englische <strong>Funker</strong> weckt den spanischen Kollegen auf 500 KHz<br />
und setzt diesem nun den Hut auf, um die Leitung im Funkverkehr zu übernehmen.<br />
Die Unglückstelle liegt westlich des Trampelpfades durch die Biscaya, auf dem sich auf der<br />
Kurslinie Ushant (d’Ouessant)-Finisterre ständig zahllose Schiffe bewegen.<br />
Aber nur drei Schiffe erfahren in der Nacht von der Katastrophe.<br />
FIETE SCHULZE sendet das Alarmzeichen in der falschen Modulationsart. Demzufolge<br />
springen auf den umliegenden Frachtschiffen die automatischen Alarmanlagen nicht an, die<br />
die Funkoffiziere aus den Kojen holen und „Coruna Radio“, dessen unbedingte Pflicht es<br />
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