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Nach einwöchigem Check in der Uni-Klinik bin ich aber wieder gesund, das Labor hat sich<br />
<strong>bei</strong> der Seetauglichkeitsuntersuchung anscheinend geirrt.<br />
Als Aushilfskellner kommt man zwar viel rum, aber das befriedigt mich nicht.<br />
Ich möchte wieder einen Tanker, möglichst einen großen.<br />
Im Herbst 1971 übernehme ich Tanker SCHWEDT und fahre darauf knapp drei Jahre.<br />
Mittlerweile in die Jahre gekommen, schätze ich das geruhsamere Berufsleben auf einem<br />
Großtanker. Andererseits muß man auf langen ereignislosen Tankerreisen mit sich umgehen<br />
können.<br />
In den Messen stehen Fernsehapparate. In Küstennähe sind damit gelegentlich auch Schattenspiele<br />
zu empfangen, für verwertbare Bilder müßte aber <strong>bei</strong> einem in Fahrt befindlichen<br />
Schiff ständig die Antenne nachgerichtet werden. Erschwerend hinzu kommt dann immer der<br />
Normenunterschied zwischen Secam und Pal und der Abstand zwischen Bild und Ton der<br />
verschiedenen Länder-Normen. Reibungslos klappt es also nie!<br />
Rundfunkmäßig ist weltweit, zumindest mit meinen guten Seefunkempfängern, die „Deutsche<br />
Welle“ zu empfangen. Da erfährt man wenigstens, wie zu Hause das Wetter ist. Eine<br />
Schlagerparade läuft über diesen Kurzwellensender aber auch nicht! „Radio Berlin International“<br />
wimmert zwar auch irgendwo im Hintergrund, aber die Propagandierung der ständigen<br />
Erfolge der DDR-Volkswirtschaft geht jedem glatt am Mors vor<strong>bei</strong>. Ich nehme täglich<br />
eine Schiffspresse auf. Zwei mühsam erkämpfte DIN-A4-Seiten, die aus den schwachbrüstigen<br />
Morsezeichen trotz Störungen und atmosphärischen Beeinträchtigungen errungen werden.<br />
„Der Schiffs-Bummi“, wie er in der Flotte verächtlich genannt wird, ist journalistisch trocken<br />
und dilletantisch gemacht. Hier erfährt der Seemann, daß die KIM-Hühner im Hühner-KZ<br />
Neubukow um die Planerfüllung ringen und im Königreich Tonga, die DDR durch den Besuch<br />
des Außenministers weiter an Einfluß gewonnen hat. Der einzige an Bord, der sich nach<br />
seinem ausgiebigen Mittagsschlaf und dem Bepudern seines Dekubitus auf die Schiffspresse<br />
giert, ist der Politnik.<br />
Der „Schiffsbummi“ informiert den desinteressierten Seemann, daß die Nachzucht einer Herdbuch-Rinderrasse<br />
nun ganz mächtig gewaltig erfolgreich abgeschlossen sei. Ich garniere<br />
eigenverantwortlich diesen Artikel, damit meine Presse überhaupt jemand liest:<br />
<strong>bei</strong> dieser neuen rinderrasse legten die zuechter ausser der<br />
steigerung der milchleistung, ihr besonderes zuechterisches<br />
augenmerk auf den fleischertrag des kuhschwanzes. dieser<br />
erreicht <strong>bei</strong> den tieren der neuen rasse eine<br />
durchschnittliche laenge von 3,65 metern. um die<br />
hervorragende fleischqualitaet nicht durch<br />
guelleverschmutzung zu beeintraechtigen, wird das hintere<br />
schwanzende am horn des rindes in einem eleganten bogen in<br />
einem schnappverschluss eingerastet. die ochsenschwanzsuppe,<br />
die im warnemuender neptunhotel aus dieser neugezuechteten<br />
fleischsorte kreiert wurde, errang in tokio zur<br />
weltsuppenausstellung den ehrenpreis des kaisers heroito.<br />
Solche gelegentlich eingefügte Schmankerln läßt die Besatzung in den Messen nun häufiger<br />
zu dem Schnellhefter mit der Schiffspresse greifen.<br />
Aber nicht lange.<br />
Ich stehe dafür in Rostock auf der Matte und fasse von der Politabteilung einen ordentlichen<br />
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