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in die Sessellehne und... plauz, liegen der Drehsessel und ich nach einer Rolle rückwärts in<br />
der Funkraumecke.<br />
Die Öse im Estrichfußboden, die mittels der Spannschraube das Sitzmöbel gegen verrutschen<br />
sichern sollte, ist aus dem Fußboden gerissen.<br />
Die verdammten Heinzis auf der Leningrader Werft, haben zur Befestigung der Platte mit der<br />
Öse nur „Madenschrauben“ einfach so in den Estrichfußboden gedreht. Ein Wunder, daß<br />
das überhaupt fünf Minuten der Belastung standgehalten hat.<br />
An Bord der sowjetischen Exportschiffe fährt ein Jahr lang, während der gesamten Garantiezeit,<br />
ein Leningrader Werftingenieur mit. Grischa halte ich nun wutschnaubend die drei Madenschrauben<br />
unter die Nase und verweise auf mein spontan aufgetretenes Bandscheibenleiden.<br />
Der Mann fährt aber nur mit, um Ansprüche an den Exporteur abzuwenden.<br />
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Nach Auslaufen Murmansk herrscht in der Nacht vor dem Nordkap dichtes Schneegestöber<br />
von der Sorte, das als Hauptfeind des Sozialismus das Leben in der DDR binnen drei<br />
Stunden zum Erliegen brächte.<br />
Plötzlich heult es ganz schrill im Schiff. Mein Fenster ist nicht fest verschraubt, durch den<br />
schmalen Spalt faucht die Luft herein. Ich habe das Gefühl, meine Trommelfelle wölben sich<br />
aus den Ohren, die Atemluft wird knapp.<br />
Unten im Hauptgang steht das schwere Eisenschott zum Maschinenschacht offen, durch<br />
dieses faucht es ganz tierisch. Der Bootsmann, der wie alle anderen auch, panisch aus seiner<br />
Kammer saust, schließt das Schott und dreht die Vorreiber dicht.<br />
Das Licht geht aus, der Motor verstummt augenblicklich. Das Pfeifen ist schlagartig vor<strong>bei</strong>.<br />
Es herrscht tiefste Stille. Black out!<br />
Das Schiff treibt verdunkelt, manövrierunfähig und blind durch das dichte Schneetreiben.<br />
Es geht die Notbeleuchtung an und in deren fahles Licht taucht der III.Ing. aus dem<br />
Maschinenraum auf. Er ist rabenschwarz mit Ruß überschüttet und nicht zu erkennen.<br />
Ein großer Schiffsdiesel ist ein Verbrennungsmotor. Er benötigt für seinen Betrieb eine riesige<br />
Menge Sauerstoff. Diese beziehen auf diesem Schiff die Maschine und die Jockel durch zwei<br />
quadratische Lüftungsrohre. Die Gitter vor dem Lufteintritt sind während des Schneegestöbers<br />
an Oberdeck zugeweht. Jetzt ringt der Diesel nach Luft und besorgt sie sich, ganz asthmatisch<br />
pfeifend, auf Umwegen durch jede verfügbare Öffnung. Deshalb pfeift es an meinem Bulleye-<br />
Spalt so bärisch. Als der Bootsmann das Schott zum Maschinenraum schließt, schließt er den<br />
letzten dunklen Kanal, über den sich der Motor noch klammheimlich versorgt. Als allerletzten<br />
Atemzug holt er noch durch den Schornstein einmal tief Luft und haut dem gerade sehr<br />
ungünstig stehenden Wach-Ing. den ganzen dort anhaftenden Ruß über den Pelz.<br />
Utz von Hallasch ist hier der Leitende Ingenieur. Er und seine Truppe haben nun wenigstens<br />
für den Spott der anderen Gewerke an Bord nicht zu sorgen. Das Freischaufeln der Lüftungsgitter<br />
beseitigt die Atemnot der Hauptmaschine und der Jockel. Der Dampfer kommt in Fahrt<br />
und Strom ist auch wieder verfügbar.<br />
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Auf dem Peildeck schmilzt der Schnee.<br />
Im Funkraum tropft es aus der Leuchtstofflampe auf meinen Ar<strong>bei</strong>tstisch. Ich ziehe Grischa<br />
zu Rate, den Leningrader Garantie-Ingenieur.<br />
Seine Möglichkeiten beschränken sich in dem theoretischen Wissen, daß das Schmelzwasser<br />
nicht unbedingt im Funkraum zu Tage treten muß, wo es oben darüber auf dem Peildeck<br />
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