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Außer Duosan rapid hat das Schiff aus dem Maschinen-Store noch den Zwei-Komponenten-Kleber<br />
Belzona – flüssiges Eisen – zur Verfügung. „Der hält wie Sau“, garantiert<br />
Gustav für seinen eigenhändig gehüteten Klebstoff. „Nur so richtig aber erst nach<br />
24 Stunden, falls ihr ihn nicht mit dem Schweißbrenner erwärmt“ fügt er dann einschränkend<br />
hinzu. „Da muß du halt für die Aushärtezeit mit offenem Mund leben“ legen wir unserem<br />
Kapitän nahe.<br />
Ich klebe mit dem schwarzen flüssigen Eisen den Zahn samt Stift in Hagens Mund.<br />
Er ist ein vorbildlicher Patient.<br />
Sechs Stunden hält er zur Verfestigung des Klebers den Mund offen und den Zahn trocken.<br />
Da<strong>bei</strong> hat er auf seiner Backskiste liegend Mario Simmels: „Es muß nicht immer Kaviar sein“<br />
zur Hälfte ausgelesen.<br />
Bis Rotterdam knackt er Paranüsse und Malzbonbons und stellt dort diese revolutionäre<br />
Dentalleistung einem höherrangigen Doktor dent. vor.<br />
Wäre diese unschöne rabenschwarze Klebenaht nicht gewesen, hätte der Doktor diese sorgfältige<br />
Ar<strong>bei</strong>t glatt so belassen. Der Zahnarzt kann seinen Heiterkeitsausbruch nicht<br />
verbergen und sicher erntet er auf dem nächsten holländischen Zahnärztekongreß mit<br />
diesem Beitrag noch einige mehr.<br />
75 kg überfordern jeden Kran<br />
Eigentlich habe ich jetzt Urlaub und gelte freie Tage ab. Mein Tanker HEINERSDORF ist in<br />
der großen weiten Welt unterwegs. „Fahr mal mit der GÖRLITZ zwischendurch schnell nach<br />
Murmansk“ bestimmt mein Funkinspektor.<br />
Im Februar nach „Murmi“. Da muß man sich ja schon wieder ganz warm anziehen.<br />
„Du sitzt hier!“ sagt man mir im Salon zur nachmittäglichen Coffee-time. Ich haue mich in den<br />
Sessel und kippe damit heftig nach hinten. Das Sesselgestell ist aus Armierungseisen<br />
zusammengeschweißt, so wie es zur Versteifung in Betonkonstruktionen verwendet wird.<br />
MS „GÖRLITZ“ ist Russenschiff.<br />
An dem Sesselgestell ist ein achterstes Bein um fünf Zentimeter zu kurz geraten und dient<br />
somit zur Belustigung <strong>bei</strong>m Anscheißen der Neuen.<br />
Abends, nach der Wache, will ich mir in der Pantry am Kühlschrank noch eine Stulle holen.<br />
Ich öffne die Tür und arretiere sie in dem Fanghaken an der Wand.<br />
Auf der gegenüberliegenden Seite des Türrahmens wische ich über die Wand auf der Suche<br />
nach dem Lichtschalter. Russenschiff! Der Schalter ist hinter der arretierten Tür.<br />
Ich übernehme das Schiff im Heimathafen mit einer defekten Antenne. Das ist eine s. g.<br />
Wagenradantenne. An einem etwa 8 Meter hohen Glasfiebermast ziehen sich mehrere<br />
Kupferdrähte von einem kleineren unteren „Wagenrad“ zu einem größeren oberen. An dem<br />
oberen Rad ist ein Antennendraht „ausgerauscht“. Der Achter-Bolzen ist gebrochen oder<br />
die Mutter hat sich gelöst.<br />
Ich bemühe mich vor dem Auslaufen des Schiffes um die Reparatur.<br />
„O ha“ sagt der Reparaturinspektor „das ist ja ein gewaltiges Problem.“ „Wieso“, sage ich,<br />
„ich stelle mich in die Krankiepe, stecke mir einen Achter-Bolzen nebst Ringschlüssel in die<br />
Hosentasche und lasche den Draht dort oben in fünf Minuten wieder fest!“<br />
Die Ar<strong>bei</strong>tsschutzbedingungen der Deutschen Demokratischen Republik sind weltweit einmalig.<br />
Damit dokumentiert der Ar<strong>bei</strong>ter und Bauernstaat die Sorge um den Menschen. Ein Hafenkran,<br />
der tagtäglich 10 Tonnen pro Hiev aus dem Schiff holt, ist viel zu labil, um meine 78<br />
Kilogramm an den Antennenmast zu hieven, um in fünf Minuten den Bolzen einzuschrauben.<br />
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