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Zimmermann auf die Back. Hiev Anker. Wasser an die Ankerklüse. Gefechtsrudergänger auf<br />
die Brücke!“<br />
Wir brechen auf. Vorerst nach Dakar im Senegal. In Conakry gibt’s doch nischt. Der Senegal<br />
aber hatte noch keine Revolution. Wir brauchen für die uneingeplante Reiseverlängerung<br />
Bunker, Wasser, Getränke und Proviant und vor allem Seekarten und Navigationsunterlagen.<br />
Kein Schwanz auf dem Schiff war bisher in der noch jungen Volksrepublik Kuba.<br />
Die uneingeplante Ausrüstung des Schiffes kostet wieder wertvolle Valuta!<br />
Es folgen genaue Anweisungen, wie viele Büchsen Coca Cola und Becks-Bier pro Mann und<br />
Tag gebunkert und ausgegeben werden dürfen. Die Broiler, die der Koch einlagert, sind<br />
gritze-blau. Mit Schweinefleisch sieht es <strong>bei</strong> den Muselmanen auch mau aus. Hammel wäre<br />
ausreichend im Angebot, wollen wir? Nee bloß nicht! Na usw.<br />
Aber Obst und Gemüse ist schwer in Ordnung.<br />
Wir kaufen an Land Schnitzereien, Speere, Felle und anderen Buschiganga.<br />
Schließlich haben die Nautiker auch ihre notwendigen Seekarten zusammen. Zwar nicht die<br />
gewohnten SHD oder DHI-Exemplare, sondern ziemlich bunte Dinger von irgend wo anders.<br />
Seehandbücher sind nur in französischer Sprache verfügbar.<br />
Wir fahren in dem herrlich ruhigen Seegebiet der Roßbreiten mit Westkurs nach Kuba. Der<br />
Kapitän tüftelt sich einen Kurs aus, auf dem er gedenkt, zwischen den Antilleninseln in die<br />
Karibik einzudringen. Er kreuzt dann in dem französischen Text des Seehandbuches die<br />
Stellen an, die ihm das dafür nötige Wissen vermitteln sollen. Alfred Zimdarß, der Chiefmate<br />
und ich schaffen uns an der deutschen Übersetzung. Das ist schwierig, denn für das seemännische<br />
Fachchinesisch bzw. Französisch taugen unsere Wörterbücher nichts.<br />
Der Kapitän macht auch mit, wir zaubern alles Notwendige zusammen.<br />
Ich erhielt nach meiner Ausbildung an der Seefahrtschule das Seefunkzeugnis II. Klasse.<br />
Die oberste Sprosse der Karriereleiter meines Gewerkes ist das Seefunkzeugnis I.Klasse.<br />
Benötigen würde man das nur als Funkstellenleiter auf einem Passenger. Auf den Frachtern<br />
der Reederei bringt das auf der Uniform drei Ärmelstreifen und, als das Wesentlichere, zwei<br />
Heuergruppen, also 100 Mark mehr.<br />
Der Seefunk vollzieht sich unter der gestrengen Schirmherrschaft der Deutschen Post, Hauptabteilung<br />
Seefunk. Dort äußere ich den Wunsch, die letzte Sprosse meiner Karriereleiter<br />
erklimmen zu wollen. Die erforderliche Fahrzeit habe ich zusammen und ordentlich Ahnung<br />
habe ich mittlerweile ja auch.<br />
Die Postler zeigen sich gewogen und vergeben mir sechs Themenkomplexe, an denen ich<br />
mich wissenschaftlich schaffen muß. So eine Art postgraduale Klausur-Ar<strong>bei</strong>ten. Zwei<br />
Ar<strong>bei</strong>ten sind fremdsprachlicher Natur. Englisch habe ich schon erfolgreich hinter mich<br />
gebracht, mit der Reisebeschreibung der Chinareise auf MS DRESDEN. Jetzt, wo ich mich an<br />
dem vertrackten französischen Seemannschinesisch der Seehandbücher aufreibe, kommt mir<br />
der Gedanke, daß mir diese Phänomenalleistung die Seefunkbehörde auch getrost als Fremdsprachen-Klausur<br />
abkaufen könnte.<br />
Die gestrengen Beamten kaufen ab, verlangen aber die Abschrift des französischen Textes.<br />
Obwohl ich ihnen die französischen Originale mit angekreuzten Textpassagen schenken<br />
wollte. „Na o.k.“, sage ich und unterdrücke das Knirschen meiner Zähne. „Das dauert dann<br />
aber wieder“.<br />
Wir laufen wieder aus und nehmen nun auch die Navigationsunterlagen für die Karibik an<br />
Bord und, ich fasse es nicht, die deutsche Fassung eben dieser Handbücher, mit deren<br />
Übersetzung ich <strong>bei</strong> der Post groß raus kommen will.<br />
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