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Ich wuchte meinen starken Sender an. Münze sein MAYDAY in ein PAN PAN PAN um, da für<br />
das MAYDAY kein triftiger Grund vorhanden ist und haue seine Meldung mit großer<br />
Lautstärke vertretungsweise für GLENN PARVA noch einmal hinaus.<br />
Bei Guayaquil-Radio müßten die Antennenmasten zittern, aber leider: no reaction! Einige<br />
Schiffe im Seegebiet äußern ihre Betroffenheit, aber ärztliche Assistenz kann keiner bieten.<br />
Kapitän Laasch schaut in die Seekarte. Inzwischen habe ich eine Grenzwellen-Sprechverbindung<br />
zu den Unglücksraben. Ich telefoniere mit dem Kapitän, er scheint sehr<br />
aufgeregt und spricht ein spanisch akzentuiertes Englisch. Kapitän Laasch gibt seinem<br />
Kollegen nun den Rat, den Hafen Manta anzulaufen. Dafür fehlt dem Schiff die entsprechende<br />
Seekarte. „Wir helfen ihnen“ beruhigen wir den aufgeregten Mann am anderen Ende<br />
unserer Verbindung. Der WO hat die Revierkarte von Manta herausgesucht. Wir breiten sie<br />
im Funkraum auf dem Fußboden aus.<br />
Kapitän Laasch trägt die Position der GLENN PARVA nun in seine Karte, informiert sich über<br />
die Wassertiefen und Hindernisse und sagt dem Hilfsbedürftigen die Kurse rüber, die sein<br />
Schiff gefahrlos nach Manta bringen. Inzwischen habe ich nun auch auf dem UKW-Kanal<br />
16 mit PAN PAN PAN riesigen Alarm geschlagen und das Hilfeersuchen an alle Funkstationen<br />
Ecuadors gerichtet. Völlig überraschend meldet sich nun ein Ölterminal querab an der Küste,<br />
50 Meilen südlich von Manta. Dem Kameraden schildere ich nun die Situation mit der Bitte,<br />
den Hafen von Manta zu mobilisieren, um dem Schiff ein Boot oder einen Heli entgegenzuschicken,<br />
Krankentransport, Notarzt und OP bereit zu halten. „I will do my best“ verspricht<br />
der einzige Ecuadorianer, der von dem Drama im Küstengewässer des Landes nun Kenntnis<br />
hat, obwohl ich auf drei Notfrequenzen mehrfach die Meldung ausgestrahlt habe.<br />
GLENN PARVA hat mittlerweile die Hafenbefeuerung in Sichtweite. Dort rührt sich nichts.<br />
Der Mann vom Ölterminal erklärt nochmals nach meinem Anruf, telefonisch in Manta<br />
entsprechend informiert zu haben.<br />
Ich rate dem GLENN PARVA-Kapitän seinen Vorrat an roten Raketen gen Manta abzufeuern.<br />
Kapitän Laasch leitet im Blindflug seinen Kollegen mit den Daten der Revierkarte bis dicht<br />
vor die Mole von Manta.<br />
Unsere Hilfsmöglichkeiten sind nun ausgeschöpft, wir laufen in der Weiterfahrt aus der<br />
Funkreichweite des schwachbrüstigen Senders.<br />
MS GLENN PARVA ist in allen uns zugängigen Schiffsregistern und Nachschlagewerken<br />
nicht aufgeführt, aber letztendlich ist das auch nicht so wichtig.<br />
In wieweit wir mit unserem Engagement einen Beitrag für das Überleben des verunglückten<br />
Seemanns leisten konnten, bleibt uns verborgen.<br />
Die letzten Seemeilen<br />
Mein Vater allerdings ist zu Hause gestorben. Ich empfange Mutters Telegramm und spreche<br />
mir selbst mein Beileid aus. Ansonsten übergebe ich solche Telegramme dem Kapitän, der die<br />
traurige Aufgabe dann übernimmt.<br />
Eine medizinische Betreuung vor seinem Tod wurde meinem Vater verwehrt.<br />
Nach einem Hirnschlag kam der Krankenwagen nach zweieinhalb Tagen. Er klapperte mit<br />
dem Hilfsbedürftigen sämtliche Krankenhäuser im Bezirk Halle ab. Keines nahm den geistig<br />
Umnachteten auf. Wieder zu Hause, starb er dann und erlöste sich und meine völlig überforderte<br />
Mutter von dem schrecklichen Schicksal.<br />
Während der Hafenliegezeit besuche ich meine Mutter in ihrem Dorf <strong>bei</strong> Halle. Sie möchte<br />
alleine, so mäßig umsorgt nicht bleiben. Ein Altersheimplatz wird ihr erst in etwa fünfzig<br />
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