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steht der E.-Ing. Eine stattliche Erscheinung, ordentlicher Anzug, weißes Hemd, Schlips.<br />
Seine gesamte mitgeführte Habe hat er aus seinem Schrank und der Backskiste in zwei<br />
gewaltige Koffer gestampft.<br />
Gustav, sein Chief, ist noch nicht ganz so weit, er muß noch an den I. Ing. was übergeben.<br />
Ich kann den Ingenieur gerade noch vom hastigen Besteigen der ausgebrachten Jacobsleiter<br />
abhalten, auf der er zu den Frischproviant-Lieferanten hinabsteigen möchte.<br />
„E.-Mix.“ sage ich, „uns fiel auf, du hast einen Nachholebedarf im DIN-gerechten Kofferpacken.<br />
Das war eine Übung. Kannst wieder auspacken und dich umziehen!“<br />
Der neueingestellte Ingenieur unterlag dem Trugschluß, wenn er auf den uralt eingetretenen<br />
Pfaden, den riesigen schweren Kompaßschlüssel von der Maschine nicht zur Brücke hoch<br />
schleppt, weil er diesen Anschiß kennt und auch auf das Pollerrichten und Kompaßkompensieren<br />
nicht hereinfällt, kann ihm so gut wie gar nichts mehr passieren.<br />
Aber auch auf hoher See hat der Anschiß variable Erscheinungsformen, besonders wenn<br />
man ihn mit aller Macht, so wie er es tat, förmlich heraufbeschwört.<br />
Kleine Knoten sind gefragt<br />
Zwei Maschinenleute bringen nachmittags ihren blutenden Kollegen auf die Brücke. Der<br />
Anblick ist erschreckend. Der Maschinen-Assi blutet stark im Gesicht, seine Kombi ist damit<br />
total besudelt.<br />
Er ist im Maschinenraum <strong>bei</strong> Schiffsbewegung <strong>bei</strong>m Transport einer ausgebauten Rohrleitung<br />
auf dem Rücken über eine solche auf den Flurplatten geflogen und hat sich die Wange<br />
aufgerissen.<br />
Der zweite Offizier Süßmann hat auf der Brücke die Wache und im Bedarfsfall das würdevolle<br />
Amt des Schiffsdoktors. Doktor hc. wc. Süßmann besieht sich nun auf der Brückennock den<br />
Schaden. „Das müssen wir nähen!“ diagnostiziert er und „<strong>Felix</strong>, komm mit, du kannst die<br />
kleinsten Knoten machen!“ Kapitän Thomas übernimmt auf der Brücke die Wache. Wir legen<br />
den verletzten Maschinen-Assi im Lazarett auf die Lederpritsche.<br />
Der Riß in seiner Wange ist beachtlich, dort pfeift der Wind durch. Sein bartstoppliges<br />
verschwitztes Gesicht ist links ganz ölverschmiert, rechts sieht man nur Blut.<br />
Dr. Süßmann sucht im Hospital die Gerätschaft zusammen. Er ist auch mehr auf der Brücke zu<br />
Hause und betritt diesen mittelgut sortierten Laden auch nur, wenn einer, so wie ich, ein paar<br />
Simagel-Tabletten benötigt.<br />
Ich übernehme derweile die Operationsvorbereitungen und suche in den oberen Hängeschränken<br />
nach brauchbaren Reinigungsmitteln, Alkohol, Wundbenzin oder wenigstens<br />
Franzbranntwein. Ich treibe nichts dergleichen auf, finde aber eine Flasche Äther.<br />
„Das kannste auch nehmen“, meint der Doktor.<br />
Ich wasche damit das blutverkrustete Gesicht blut- und fettfrei. Die Bartstoppeln gehen<br />
nicht ab. Mit dem äthergetränkten Zellstoffpäckchen verweile ich auch kurzzeitig <strong>bei</strong> meinen<br />
Reinigungsrunden auf der Nase des Verunfallten. „Wenn er da<strong>bei</strong> evt. abklappt, hat er es<br />
leichter“ denke ich und tränke das Päckchen noch einmal.<br />
Er klappt nicht ab, aber ich stehe kurz davor.<br />
Entgegen anders lautenden Ratschlägen, beschließt der leitende Arzt, das Loch in der<br />
Wange zu nähen, nicht zu klammern.<br />
Diese Entscheidung will ich als Assistenzarzt erklären, Mediziner überlesen diese Passagen<br />
bitte!<br />
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