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Unser Schiff geht an die Pier. Es beginnt der Ladebetrieb. „<strong>Funker</strong>, könnse mal kommen“, ruft<br />
der Gangway-Posten. Bei ihm stehen sechs hübsche, weißhäutige Mädels mit bunten Eimern<br />
und wollen was von unserem Wachmann am Gangway-Podest. Ich höre mir das Problem an:<br />
Die Mädels sprechen günstigerweise kalifornisch und nicht etwa texanisch: „Wir kommen<br />
von der H O P E. In unserem Operationssaal liegt eine Bluttransfusion und unser Kühlaggregat<br />
ist ausgefallen. Wir benötigen ganz dringend Eis, können sie uns helfen?“ Der<br />
Koch kann, er hat jede Menge Stangeneis in seiner Last, nur die in der Tropenhitze spärlich<br />
bekleideten Mädels halten es in der grimmigen Kälte da drin nicht aus. Wir erfüllen rasch den<br />
Wunsch der Mediziner und diese schnell ihren Eid des Hippokrates. Acht Reisen lang bilden<br />
wir mit den Leuten von der H O P E dann eine innige Symbiose. Nur dürfen das die Politlandeier<br />
in Rostock nicht so mitkriegen.<br />
Laut interner Anweisung der Politabteilung der Reederei vom Mai 1963 haben wir jeglichen<br />
Kontakt mit den Vertretern des Klassenfeindes zu meiden. Das gilt auch für Begegnungen<br />
mit dessen Seeleuten und auch mit der Lokusfrau vom Hamburger Hauptbahnhof. Das strafrelevante<br />
Delikt heißt „Kontaktaufnahme“ und kann das Seefahrtsbuch kosten.<br />
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Die Reise später klagt ab den Kanarischen Inseln Chief Günther Böttcher über Bauchgrimmen.<br />
Peter Erbstößer, genannt „Erbse“ ist II.Offizier und erwarb mit dieser Funktion automatisch<br />
seinen Doktor hc. wc. Erbse bekämpft die Leiden des Chiefs mit Haferschleim. Nach drei<br />
Tagen konstatiert er aber eine Blinddarmentzündung. Günther Böttcher wird unterhalb der<br />
Gürtellinie tiefgefroren, damit sein Appendix nicht perforiert. Auf Conakry Reede angekommen,<br />
wird der Patient auf eine Trage gebunden und in unsere ausgesetzte Barkasse weggefiert.<br />
Ab Hafenpier wird er nach „Donka“, dem größten Krankenhaus des Landes verfrachtet. Drei<br />
Ärzte unterschiedlicher Nationen betasten nun den langsam auftauenden Unterleib des<br />
Patienten. „Erbse“ beteiligt sich an der wissenschaftlichen Session mit der vorgegriffenen<br />
Diagnose: Appendicitis. Damit fängt er sich eine heftige Mißbilligung ein, da er keinen<br />
gehobenen medizinisch-akademischen Grad besitzt.