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Die Religion der Baul-Gemeinschaft

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Hindus angelehnt. Je<strong>der</strong> Hindu aus einer <strong>der</strong> drei oberen Kasten trägt zusätzlich zu seinem<br />

Namen einen Gotra-Namen. Der Gotra-Name zeigt von welchem vedischen Gelehrten seine<br />

Familie ursprünglich abstammt. Alle Hindus, welche den gleichen Gotra-Namen tragen, sind<br />

miteinan<strong>der</strong> verwandt und dürfen deshalb einan<strong>der</strong> nicht heiraten. 13 Das Gefühl, daß sie alle<br />

zu <strong>der</strong> Familie Nityananda gehören, zeigt sich auch in <strong>der</strong> Begrüßungsformel <strong>der</strong> <strong>Baul</strong>s. <strong>Die</strong><br />

<strong>Baul</strong>s grüßen einan<strong>der</strong> nicht mit „Namaskara“ (Salutation), wie es im Bundesstaat West<br />

Bengal üblich ist, son<strong>der</strong>n mit „Jaya guru“ (Heil dem Guru), o<strong>der</strong> „Jaya Nitai“ (Heil dem<br />

Nitai, d. h. Nityananda) o<strong>der</strong> „Jaya Radhe“ (Heil <strong>der</strong> Radha).<br />

In einer Wohngemeinschaft wohnen ausschließlich <strong>Baul</strong>s und ihre spirituellen Partnerinnen.<br />

Kin<strong>der</strong> sind hier nicht erlaubt. <strong>Die</strong> Struktur dieser Wohngemeinschaften hat einen<br />

Familiencharakter. Wie die <strong>Baul</strong>s sich gegenseitig anreden, deutet darauf hin, daß sie diese<br />

als eine Familie betrachten. Der Guru <strong>der</strong> Einrichtung wird als Vater-Guru (baba-gõsai) und<br />

seine Partnerin als Mutter-Guru (ma-gõsai) angesprochen. <strong>Die</strong> Schüler sprechen sich<br />

gegenseitig als Rituelle Brü<strong>der</strong> (guru-bhai) an. Dem entsprechend heißen alle Frauen, außer<br />

<strong>der</strong> Partnerin des Gurus, Rituelle Schwestern (guru-bona). <strong>Die</strong> Partnerin des Schülers wird<br />

vom Guru selbst ausgesucht. Sie wird nicht als die Ehefrau (patni, in West Bengal auch stri)<br />

des Schülers, son<strong>der</strong>n als die Partnerin für die spiritullen Übungen (sadhana-sangini)<br />

bezeichet. Theoretisch wird die Partnerin des Schülers nur nach ihrer religiösen und yogischen<br />

Fähigkeit ausgesucht. Der Partner wird von seiner Partnerin niemals mit Vornamen,<br />

son<strong>der</strong>n immer als Gõsai o<strong>der</strong> Thakur (in diesem Zusammenhang Herr, Guru) angesprochen.<br />

Sie selbst wird mit ihrem Vornamen angesprochen. <strong>Die</strong>ser Brauch zeigt, daß die<br />

Partnerin dem Partner untergeordnet ist. 14 Vor einem Dritten nennt <strong>der</strong> <strong>Baul</strong> seine Partnerin<br />

nicht mit Vornamen, son<strong>der</strong>n als seine spirituelle Partnerin (sadhana-sangini). <strong>Die</strong> Jüngeren<br />

werden von den Älteren stets mit Vornamen angesprochen, wobei sie selbst die Älteren<br />

immer mit den entsprechenden Bezeichnungen, wie etwa Baba-gõsai, Ma-gõsai etc anreden.<br />

In <strong>der</strong> Wohngemeinschaft fängt für die <strong>Baul</strong>s ein neues Leben an. Alle werden beim Eintritt<br />

in die <strong>Baul</strong>-<strong>Gemeinschaft</strong>, und damit auch in die Wohngemeinschaft, mit einem neuen<br />

Namen getauft. Mit dem Eintritt in den Orden haben sie ihrem vorherigen gesellschaftlichen<br />

Leben ein Ende gesetzt. Sie sind jetzt nicht mehr die Söhne <strong>der</strong> Familie X mit diesen und<br />

jenen religiösen o<strong>der</strong> säkularen Verpflichtungen, son<strong>der</strong>n Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> <strong>Baul</strong>-<strong>Gemeinschaft</strong>.<br />

So tragen sie auch nicht mehr die Namen des alten Lebensabschnittes (purvashram). <strong>Die</strong>se<br />

Praxis ist angelehnt an den im Hinduismus allgemein üblichen Gebrauch. Wenn einer seine<br />

Familie verläßt und Asket wird, empfängt er von seinem Guru einen Einweihungsnamen.<br />

Obwohl sie eine Partnerin haben, betrachten die <strong>Baul</strong>s sich selbst als Asketen (gõsai).<br />

Unabhängig von ihrer ursprünglichen Kastenzugehörigkeit erhalten sie jetzt die<br />

Bezeichnung Das, d. h. <strong>Die</strong>ner, zu ihrem neuen Vornamen. So heißen die <strong>Baul</strong>s: Purna-das<br />

<strong>Baul</strong>, Debi-das <strong>Baul</strong>, Nakshatra-das <strong>Baul</strong>, Lakshman-das <strong>Baul</strong> etc. <strong>Die</strong> weiblichen <strong>Baul</strong>s<br />

dürfen eigentlich nicht die Bezeichnung <strong>Baul</strong> benutzen, obwohl es einige tun. Denn sie sind<br />

nur die spirituellen Partnerinnen <strong>der</strong> <strong>Baul</strong>s, Instrumente <strong>der</strong> Adepten, also keine selbständigen<br />

<strong>Baul</strong>s. So heißen sie: Phulamala-dasi, Radharani-dasi etc. Von ihrem Vater-Guru,<br />

Mutter-Guru und <strong>Baul</strong>-Geschwistern werden sie nur mit ihrem neuen Namen angeredet.<br />

Manas Ray bezeichnet den Namensteil Das als Familiennamen. 14 wahrscheinlich, weil das<br />

Wort Das, geschrieben mit dentalem Sa, <strong>Die</strong>ner / Sklave bedeutet und damit die<br />

Zugehörigkeit des Trägers zur Shudra-Kaste offensichtlich macht. <strong>Baul</strong>s, die keine Analphabeten<br />

sind, wie z. B. Purnadas <strong>Baul</strong> schreiben das Wort Das mit dentalem Sa. <strong>Die</strong><br />

13 Vgl. Gobhila-grihyasutra III, 4, 1-4<br />

14 Vgl. Apastambha-kalpasutra, Prashna I, Patala 2, Khanda 8, 15<br />

15

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