Die Religion der Baul-Gemeinschaft
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<strong>Baul</strong>s, wie Maya die Menschen in ihrer Gefangenschaft hält und sie in die Irre führt (s.<br />
Anhang <strong>Baul</strong>-Lie<strong>der</strong>).<br />
Warum Gott es zuläßt, daß Maya mit dem Menschen dieses Spiel treibt, wird in den Lie<strong>der</strong>n<br />
nicht gefragt. <strong>Die</strong> <strong>Baul</strong>s versuchen, alle empirischen Erlebnisse in ihrer subjektiven Welt zu<br />
bearbeiten, ohne gegen Krishna o<strong>der</strong> Maya Kritik vorzubringen und beklagen sich selbst<br />
über die eigene Leichtsinnigkeit (s. Anhang <strong>Baul</strong>-Lie<strong>der</strong>).<br />
Prem (die Gottsliebe sowie die göttliche Liebe), <strong>der</strong> Weg zur Befreiung<br />
<strong>Die</strong> <strong>Baul</strong>s vertreten die Ansicht, daß man sich durch die Gottesliebe, die Caitanya gepredigt<br />
hat, von <strong>der</strong> Maya befreit. Der Caitanya-Vaishnavismus meint, Krishna und Radha sich in<br />
einer Person, nämlich Caitanya, verkörpert haben. Krishna, <strong>der</strong> Genießer, konnte sich selbst<br />
nur durch seine Geliebte Radha genießen. Deshalb verkörperte Krishna sich mit Radha in<br />
<strong>der</strong> Person Caitanyas. 62 Caitanya war zur Hälfte Radha und zur an<strong>der</strong>en Hälfte Krishna.<br />
<strong>Die</strong>se Verkörperung des männlichen Gottes und seiner weiblichen Shakti in einer Person<br />
war rein innerlich. Biologisch war Caitanya einwandfrei ein Mann. Nur in seinem<br />
Bewußtsein war er Krishna und Radha in einem. Als Radha brachte Caitanya seinem Geliebten<br />
Krishna keine Bhakti, die Hingabe eines Untergeordneten, son<strong>der</strong>n Prem, die Liebe<br />
einer verliebten Närrin entgegen. Prem wird im Caitanya-Vaishnavismus höher geschätzt als<br />
Bhakti, Hingabe, da nach seiner Meinung die Liebe zwischen einem Mann und einer Frau<br />
die intensivste Form <strong>der</strong> Liebe sei. Krishnadas Kabiraj Gosvami schreibt in Shri-shricaitanya-caritamrita,<br />
Adilila IV:<br />
„<strong>Die</strong> Liebe eines <strong>Die</strong>ners (dasya), eines Freundes (sakhya),<br />
Der Eltern (vatsalya) und zwischen Mann und Frau (shringar)<br />
Sind die vier Arten <strong>der</strong> Liebe (41)<br />
Je<strong>der</strong> denkt, seine Art sei die beste<br />
Und genießt Krishna auf seine Art (42)<br />
Wenn ich aber genau und unparteiisch (die Arten) untersuche,<br />
(Stelle ich fest,) von allen Arten ist Shringar die süßeste (43).“<br />
<strong>Die</strong> <strong>Baul</strong>s glauben nur an die vierte Art <strong>der</strong> Liebe. Daher wollen sie Gott, den Mann, als<br />
eine Frau lieben (s. Anhang <strong>Baul</strong>-Lie<strong>der</strong>). Hierfür sehen die <strong>Baul</strong>s kein Problem, da sie als<br />
Caitanya-Vaisnavs glauben, die Seelen aller Menschen die Manifestationen von Krishnas<br />
Jiva-shakti sind und da Shakti weiblich ist, sind alle Lebewesen, unabhängig von ihrer<br />
biologischen Geschlechtszugehörigkeit, weiblich (s. Anhang <strong>Baul</strong>-Lie<strong>der</strong>). 63<br />
Ferner streben sie an, die göttliche Vereinigung von Krishna und Radha, die im Caitanyas<br />
Körper stattgefunden hat, im eigenen Körper zu erleben (s. Kapitel 5). Hierfür braucht <strong>der</strong><br />
<strong>Baul</strong> eine weibliche Person, in die er Radha projiziert. <strong>Die</strong> Mitstreiterin ist aber auch<br />
gleichzeitig <strong>der</strong> Wohnort von Gott, hier Krishna (s. Kapitel 4). Daher ist diese Frau Gott<br />
und seine Shakti, bzw. Krishna und Radha in einer Person, wie Caitanya selbst. <strong>Die</strong> Aufgabe<br />
des <strong>Baul</strong>s besteht darin, daß er in dieser Frau die Anwesenheit Gottes sieht und sie in<br />
diesem Sinne liebt. <strong>Die</strong>se Liebe <strong>der</strong> <strong>Baul</strong>s, die anscheinend einer Frau entgegengebracht<br />
wird, ist keine körperliche Liebe (kama), son<strong>der</strong>n göttliche Liebe (prem), die Krishna und<br />
62 S. Krishnadas Kabiraj: Shri-shri-caitanya-caritamrita, Adilila I, 5-6 und IV, 160-164<br />
63 Über diese Theorie des Caitanya-Vaishnavismus in: Svami Tapasyananda: Shri Caitanya Mahaprabhu. His<br />
Life, <strong>Religion</strong> and Philosophy, Mylapore, 89<br />
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