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Die Religion der Baul-Gemeinschaft

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Durch die Vereinigung bei<strong>der</strong> wird aus Sinnlichkeit (kama) die spirituelle Liebe (prem). <strong>Die</strong><br />

<strong>Baul</strong>s vergleichen ihre Methode mit dem Quirlen <strong>der</strong> Milch, das Butter erzeugt.<br />

Je<strong>der</strong> <strong>Baul</strong> übt den Mahayoga streng geheim. Der Mahayoga fängt mit <strong>der</strong> Verehrung <strong>der</strong><br />

Vagina <strong>der</strong> Partnerin an und dauert drei Tage lang. <strong>Die</strong> Verehrungszeremonie wird oft mit<br />

vom Guru gelehrten o<strong>der</strong> vom Übenden selbst ausgedachten Mantras begleitet. Der Yoga<br />

wird jeden Abend ca. zwei Stunden nach dem Abendessen praktiziert. <strong>Die</strong> <strong>Baul</strong>s glauben,<br />

daß um diese Zeit <strong>der</strong> Partner durch den Ira-nari und die Partnerin durch die Pingala-nari (s.<br />

Kapitel 3) einatmet und daher diese Zeit für die Übung günstig ist. Warum diese beson<strong>der</strong>e<br />

Atemsituation für die Übung notwendig ist, wird nicht erklärt. In den Schriften über Yoga<br />

werden die Ira-nari mit dem Mond und die Pingala-nari mit <strong>der</strong> Sonne verglichen. 120 <strong>Die</strong><br />

erste Nari ist friedlich und ruhig und die zweite energisch und lebhaft. <strong>Die</strong> Vermutung <strong>der</strong><br />

Autorin, ob die <strong>Baul</strong>s glauben, daß diese Gegensätze sich ergänzen, wurde von den <strong>Baul</strong>s<br />

nicht bestätigt. <strong>Die</strong> erwähnte Atemsituation hält ungefähr an<strong>der</strong>thalb Stunden. In dieser Zeit<br />

muß <strong>der</strong> rituelle Koitus vollzogen werden. Während des Rituals identifizieren sich die<br />

Übenden mit Krishna und seiner Geliebten Radha. Es gibt genaue Anweisungen für die<br />

Übung. Da die <strong>Baul</strong>s keine Schriften verfassen, werden die Anweisungen mündlich vom<br />

Guru an den Schüler weitergegeben. <strong>Die</strong> Übung ist ein ritueller Geschlechtsverkehr mit<br />

vielen Details. <strong>Die</strong> einzelnen Handlungen sollen die Übenden in Stimmung bringen, was für<br />

den Erfolg des Mahayoga notwendig ist. Eine wichtige Voraussetzung für diese Übung ist<br />

die Bereitwilligkeit <strong>der</strong> Partnerin. <strong>Die</strong>s bedeutet, daß die Partnerin hier mit ihrer Zustimmung<br />

von ihrem Partner für die Übungszwecke als ein Instrument benutzt wird. Zwei<br />

Dinge, die Atemübung, welche die <strong>Baul</strong>s während des Koitus üben, und die Zurückhaltung<br />

des Samenergusses, sind die wichtigsten Aspekte dieser Übung. <strong>Die</strong> Atemübung besteht aus<br />

dem Einatmen (puraka), dem Anhalten des Atems (kumbhaka) und dem Ausatmen (recaka).<br />

<strong>Die</strong>s ist die standisierte Atemübung Pranayama, die ein Hindu <strong>der</strong> oberen Kasten jeden Tag<br />

üben soll, während er laut o<strong>der</strong> lautlos den Gayatri-mantra (Rgvada III, 62, 10) rezitiert. 121<br />

<strong>Baul</strong>s, die den Rgvada nicht kennen, rezitieren während <strong>der</strong> Übung die verschiedenen<br />

Namen Krishnas und Radhas o<strong>der</strong> die Mantras, welche sie von ihrem Guru bekommen<br />

haben. Während <strong>der</strong> Übung atmet <strong>der</strong> <strong>Baul</strong> je nach Bedarf mal mit dem linken, mal mit dem<br />

rechten Nasenloch. <strong>Die</strong>se Technik hilft dem Übenden bei <strong>der</strong> Zurückhaltung des Samens.<br />

Der <strong>Baul</strong> darf ihn nicht verlieren. Wird es für ihn schwierig den Samen zurückzuhalten, so<br />

soll er eine <strong>der</strong> zwei Yogaübungen, Mulabandha und Asvini-mudra, anwenden (Hathayogapradipika<br />

III, 61-69). Hiernach soll <strong>der</strong> <strong>Baul</strong> Aropa üben, falls nötig. Aropa bedeutet die<br />

Sicht auf etwas Bestimmtes konzentrieren. Der <strong>Baul</strong> muß seine Gedanken nach und nach<br />

auf den Nabel, das Herz, die Brust, den Hals, Mund, die Nase, Augen, den Platz zwischen<br />

zwei Augenbrauen, Kopf und Gott konzentrieren. <strong>Die</strong> Übung Aropa wird auch Nehar<br />

(sehen), genannt. <strong>Die</strong> letzte Übung, welche <strong>der</strong> <strong>Baul</strong> üben muß, heißt Vajroli-mudra<br />

(Hathayoga-pradipika III, 83-91). <strong>Die</strong>se Übung verlangt, daß <strong>der</strong> <strong>Baul</strong> mit seinem<br />

Geschlechtsorgan seinen Samen und den Erguß seiner Partnerin in seinem Gliede sammelt.<br />

Ist dies getan, hat <strong>der</strong> <strong>Baul</strong> den Mahayoga erfolgreich abgeschlossen und empfindet das<br />

Mahasukh (die große Glückseligkeit) als Belohnung. <strong>Die</strong> Glückseligkeit entspringt aus <strong>der</strong><br />

Vereinigung <strong>der</strong> Seele (atma) des <strong>Baul</strong>s mit Gott. <strong>Die</strong> <strong>Baul</strong>s vergleichen diesen Zustand mit<br />

dem eines Menschen, <strong>der</strong> in einer Leiche lebt (jyante mara, jiyante mara), da in diesem Falle<br />

<strong>der</strong> Körper des erfolgreichen <strong>Baul</strong>s leblos wird, aber seine Seele die Glückseligkeit<br />

empfindet. In zahlreichen Lie<strong>der</strong> stellen die <strong>Baul</strong>s den Mahayoga vor (s. Anhang <strong>Baul</strong>-<br />

Lie<strong>der</strong>).<br />

120 Vgl. Harish Johari: Chakras, Körperzentren <strong>der</strong> Transformation, Basel, 1992, 36-39<br />

121 Vgl. Svami Tapasyananda: Om, Gayatri and Sandhya, Maylapore, 54-55<br />

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