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Die Religion der Baul-Gemeinschaft

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<strong>Die</strong> Beziehungen des <strong>Baul</strong>s mit Gott<br />

<strong>Die</strong> <strong>Baul</strong>s projizieren ihre Familien-Beziehungen, wie etwa die Mutter-Kind- und die Vater-<br />

Kind-Beziehung, und die gesellschaftlichen Beziehungen auf Gott. <strong>Die</strong> <strong>Baul</strong>s verhalten sich<br />

distanzierter, wenn sie Gott als Vater beschreiben, als wenn sie Gott als Mutter beschreiben<br />

(s. Anhang <strong>Baul</strong>-Lie<strong>der</strong>). Im Zutrauen zu Gott, <strong>der</strong> Mutter und <strong>der</strong> Distanziertheit zu Gott,<br />

dem Vater spiegelt sich die patriarchalische Gesellschaft. Ferner, die Zutraulichkeit zu Gott,<br />

<strong>der</strong> Mutter, ist vom Tantra und dem Kali-Kult von Ramakrishna in West Bengal beeinflußt.<br />

<strong>Baul</strong>s, die als Tagelöhner, Fischer, Bauern etc. arbeiten, beschreiben Gott auch als ihren<br />

Herrn (prabhu), dem sie für alles dankbar sind (s. Anhang <strong>Baul</strong>-Lie<strong>der</strong>). <strong>Die</strong> Unterwürfigkeit,<br />

welche die Lie<strong>der</strong> vorstellen, die Gott als den Herrn beschreiben, ist auch die, welche<br />

die Shudras und Kastenlosen in <strong>der</strong> indischen Gesellschaft den Herren aus den drei oberen<br />

Kasten entgegenbringen.<br />

Gott und Götter verhalten sich wie die Dorfbewohner<br />

Gott <strong>der</strong> <strong>Baul</strong>s ist aber, außer daß er allmächtig ist, den Menschen sehr ähnlich. Er findet<br />

Freude an denselben Sachen wie <strong>der</strong> <strong>Baul</strong> selbst, z. B. an <strong>der</strong> Vereinigung mit <strong>der</strong> Partnerin,<br />

wie Krishna mit seiner weiblichen Energie Radha (s. unten), o<strong>der</strong> am Hanfrauchen, wie<br />

Shiva. Oft ist Gott in den Lie<strong>der</strong>n ein einfacher Mensch, ein Nachbar, den die <strong>Baul</strong>s in ihrem<br />

Dorf kennen (s. Anhang <strong>Baul</strong>-Lie<strong>der</strong>)<br />

Das vom Tantra beeinflußte Gottesbild<br />

Viele Lie<strong>der</strong> schreiben Gott für den Hinduismus ungewöhnliche Aktivitäten zu. <strong>Die</strong> Aktivitäten<br />

kann Gott nur in einem weiblichen Körper durchführen. In einem männlichen Körper<br />

ist er gezwungen, sich relativ passiv zu verhalten. Hier eine kurze Darstellung <strong>der</strong> Aktivitäten<br />

Gottes: Gott wohnt im Sahasrara-cakra, das sich im Schädel einer Frau befindet.<br />

Wenn diese Frau ihre Menstruation bekommt, kommt Gott von seinem Wohnsitz herunter,<br />

um seine Shakti, die im Beckenplexus wohnt und in dieser Zeit lebhaft wird, zu treffen. Um<br />

herunter zu kommen benutzt er den Kanal Sushumna-nari (s. Kapitel 3) als Weg. Im<br />

Beckenplexus vereinigt er sich mit ihr auf mystische Weise und wird dadurch glücklich. Er<br />

weilt hier drei Tage lang. Am vierten Tag kehrt er zu seinem Wohnort zurück. Während<br />

seines Aufenthaltes im Beckenplexus wird er unaufmerksam. Der zielgerichtete <strong>Baul</strong> nutzt<br />

diese Gelegenheit, um ihn zu fangen (s. Kapitel 5). Zahlreiche Lie<strong>der</strong> beschreiben dieses<br />

Treffen (s. Anhang <strong>Baul</strong>-Lie<strong>der</strong>).<br />

<strong>Die</strong> Reise des Menschen des Herzens und sein Treffen mit <strong>der</strong> weiblichen Energie im Bekkenplexus<br />

ist eine umgedrehte Interpretation des tantrischen Maithun, wonach Shakti, die<br />

sich im Beckenplexus eines Menschen befindet, senkrecht aufsteigt und Shiva, im Sahasrara-cakra<br />

o<strong>der</strong> im Ajña-cakra trifft. 91 <strong>Die</strong> <strong>Baul</strong>s kennen die tantrischen Schriften nicht.<br />

Da Bengal aber einer <strong>der</strong> Standorte des Tantra ist, leben die <strong>Baul</strong>s nicht ganz unbeeinflußt<br />

von ihm. Es ist eine natürliche Folge, daß sie von ihrem Umfeld tantrische Lehren und<br />

Übungen aufnehmen. Da <strong>der</strong> Wissenstransfer nicht sachkundig geschieht, werden die tantrischen<br />

Lehren zum Teil richtig, zum Teil aber auch falsch vermittelt. <strong>Die</strong> Theorie des<br />

91 Vgl. Sharada-tilaka-tantra XXV, 64<br />

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