Die Religion der Baul-Gemeinschaft
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nannten nehmen die vier Exkremente ein, nachdem sie diese mit Mantras gereinigt haben.<br />
Sie nennen das ReinigungShritual Gayatri-Zeremonie (gayatri-kriya). <strong>Die</strong>se hat jedoch mit<br />
dem eigentlichen Gayatri-mantra im Rgveda III, 62, 10 nichts zu tun. 118 <strong>Die</strong> Vijamargis<br />
verehren den Samen, weil alles Leben aus ihm entsteht. Der Samen ist <strong>der</strong> Schöpfer <strong>der</strong><br />
Welt. <strong>Die</strong> Vijamargis mischen den Samen eines <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Sekte, <strong>der</strong> als ein Heiliger<br />
gilt, mit Milch, Honig, Butterfett und Joghurt. <strong>Die</strong> Mischung wird in einem Behälter<br />
aufbewahrt und auf den Altar in ihrem Versammlungsraum gestellt. <strong>Die</strong> Gläubigen verrichten<br />
die Puja vor dem Alter und trinken anschließend die Mischung. Sie vollziehen das<br />
Ritual am dreizehnten Tag nach Neumond. <strong>Die</strong> vier genannten GlaubenShrichtungen bestehen<br />
aus den Shudras und Kastenlosen und erkennen das Kastensystem nicht an. 119<br />
Untersuchungsergebnisse<br />
1. Der hohe Stellenwert des Zeugungsgliedes und damit indirekterweise des Samens im<br />
Hinduismus wird durch die Verehrung des Lingas bewiesen. Der Glaube, daß man durch<br />
den Verlust des Samens seine Kräfte verliert, wird von <strong>der</strong> Manusmriti vertreten. Sie empfiehlt<br />
daher den Verlust dieses kostbaren Gutes zu vermeiden (Manusmriti II, 180-181). <strong>Die</strong><br />
Einnahme des Samens und die Beschmierung mit Kot und Urin verstößt jedoch eindeutig<br />
gegen die Vorstellung <strong>der</strong> Dharmashastras (Manusmriti V, 134-135). Daß man durch die<br />
Einnahme des vom Körper ausgestoßenen Stoffes einen weltlichen o<strong>der</strong> spirituellen Gewinn<br />
erzielen kann, ist offensichtlich eine beson<strong>der</strong>e Denkweise einiger Caitanya-orientierten<br />
<strong>Religion</strong>sgemeinschaften in West Bengal, wozu auch die <strong>Baul</strong>s gehören.<br />
2. <strong>Die</strong> Einnahme von Samen hängt jedoch mit dem Caitanya-tattva (s. unten) zusammen.<br />
3. <strong>Die</strong> Beschmiereung mit Kot und Urin könnte aus dem Glauben an ihrer Heilkraft entstanden<br />
sein. Im Allgemeinen glauben die Hindus an die Heilkraft des Kuhdungs und Kuhurins.<br />
Der Mahayoga (<strong>der</strong> große Yoga)<br />
<strong>Die</strong> <strong>Baul</strong>s können Gott nur mit dem Mahayoga erreichen. Unten sind die Aspekte dieses<br />
Yogas vorgestellt.<br />
Das Caitanya-tattva<br />
<strong>Die</strong> <strong>Baul</strong>s glauben, daß im menschlichen Körper Gott, das männliche Prinzip, und Shakti,<br />
seine weibliche Energie, wohnen. Sie nennen dieses Phänomen Caitanya-tattva. Caitanya,<br />
<strong>der</strong> zur Hälfte Krishna und zur Hälfte seine Geliebte Radha war (s. Kapitel 2), war das beste<br />
Beispiel dieses Phenomens. Gott und seine weibliche Energie manifestieren sich im<br />
menschlichen Körper jeweils als Samen (shukra) und Ausfluß <strong>der</strong> Frau (rajah). Grundsätzlich<br />
ist im Oberkörper eines Menschen <strong>der</strong> Samen, also die männliche Komponente, und im<br />
Körperteil ab dem Nabel nach unten <strong>der</strong> Ausfluß, also die weibliche Energie, dominant. In<br />
einem männlichen Körper ist <strong>der</strong> Samen und in einem weiblichen Körper <strong>der</strong> Ausfluß das<br />
vorherrschende Prinzip. Das Caitanya-tattva macht es möglich, daß die Vereinigung Gottes<br />
118<br />
Über die Gayatri-Zeremonie <strong>der</strong> drei oberen Kasten in: Svami Mukhyananda: Om Gayatri and Sandhya,<br />
Mylapore, 1-88<br />
119<br />
Über die Glaubensgemeinschaften Paltudasi, Apapanthi und Satnami s. Upendranath Bhattacarya: Banglar<br />
<strong>Baul</strong> o <strong>Baul</strong> gan, Kalikata, 1981, 426-428<br />
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