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Die Religion der Baul-Gemeinschaft

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Fluß Ajay an manchen Stellen trocken. Hier und am Ufer des Flusses bauen die Leute ihre<br />

provisorischen Zelte auf. Das Zentrum des Treffens ist <strong>der</strong> Tempel Radha-vinoda-mandir,<br />

auch Jayadeva-mandir genannt. <strong>Die</strong> Gläubigen behaupten, daß die heiligen Figuren von<br />

Krishna und Radha im Tempel diejenigen sind, vor denen Jayadeva selbst seine<br />

Gottesverehrung (puja) verrichtete. Während des Treffens werden hier Tag und Nacht die<br />

Strophen aus dem Gitagovinda gesungen. <strong>Die</strong> Teilnehmer versuchen, möglichst in <strong>der</strong> Nähe<br />

des Tempels einen Platz zu finden, was freilich nicht allen gelingt. Das Dorf ist während des<br />

Treffens mit Menschenmengen gefüllt und vom Treffen beherrscht. <strong>Die</strong> Dorfschulen bleiben<br />

nur theoretisch geöffnet. <strong>Die</strong> tief verwurzelte Religiösität <strong>der</strong> aktiven Teilnehmer und<br />

Besucher des Treffens bestimmet die Atmosphäre des Jayadeva-kenduli-mela.<br />

Wie viele religiöse Feste <strong>der</strong> Hindus, bleibt das Jayadeva-kenduli-mela nicht frei von Geselligkeit<br />

und Heiterkeit. Das Treffen hat auch einen gewissen Volksfestcharakter. <strong>Die</strong>s<br />

macht das Mela interessant und lockert die Atmosphäre. Hier gibt es Imbisse aller Preisklassen,<br />

Stände mit Gebrauchsgegenständen und billiger Kleidung. <strong>Die</strong> Dorfbewohner<br />

können hier preisgünstig einkaufen und sich so mit den notwendigen Dingen für das ganze<br />

Jahr eindecken. Es gibt hier auch Souvenirläden, die bei <strong>der</strong> Gelegenheit ein gutes Geschäft<br />

machen. Der Zirkus und die Zauberkünstler sorgen für Unterhaltung. Müßten die Besucher<br />

sich tagelang ununterbrochen auf die <strong>Religion</strong> im strengeren Sinne konzentrieren, hielten die<br />

meisten Menschen es nicht durch. So aber können sie sich zwischendurch eine Pause<br />

gönnen und immer wie<strong>der</strong> auf die Gottesliebe zurückkommen. <strong>Die</strong> Dorfbewohner und Zugereisten<br />

machen einen lebensfrohen Eindruck, sie schlen<strong>der</strong>n durch das Treffen, besuchen<br />

den Tempel und genießen die vielfältigen Darbietungen des Mela.<br />

Weil die Anzahl <strong>der</strong> <strong>Baul</strong>s beim Jayadeva-kenduli-mela sehr groß ist, wird es im Volksmund<br />

in West Bengal auch als das <strong>Baul</strong>-mela bezeichnet.<br />

<strong>Die</strong> organisierte Darstellung <strong>der</strong> <strong>Baul</strong>slie<strong>der</strong><br />

Bis vor 1982 wurde das Jayadeva-kenduli-mela ausschließlich von <strong>der</strong> lokalen religiösen<br />

Organisation Nimbarkya-Asthiyal 102 und ebenfalls dem lokalen säkularen kulturellen Verein<br />

Jayadeva Smriti Club, d. h. Jayadeva Memorial Club) organisiert. Seit 1982 hat ein von <strong>der</strong><br />

Landesregierung West Bengals beauftragtes Komitee die Organisation <strong>der</strong> offiziellen<br />

Darbietungen <strong>der</strong> Vishnuitischen Kultur übernommen. <strong>Die</strong> Angehörigen des Komitees sind<br />

akademische Mitarbeiter <strong>der</strong> Visva-Bharati University, Santiniketan, regionale Politiker und<br />

Beamte, Jugendliche aus <strong>der</strong> Gegend und Purnadas <strong>Baul</strong>. Purnadas <strong>Baul</strong> vertritt die <strong>Baul</strong>-<br />

<strong>Gemeinschaft</strong>. Um die Kultur <strong>der</strong> <strong>Baul</strong>-<strong>Gemeinschaft</strong> zu präsentieren, errichtet das Komitee<br />

eine Bühne, auf <strong>der</strong> die eingeladenen <strong>Baul</strong>s ihre Lie<strong>der</strong> singen. Purnadas <strong>Baul</strong> stellt die Liste<br />

<strong>der</strong> einzuladenden <strong>Baul</strong>s auf. <strong>Die</strong> <strong>Baul</strong>s singen auf <strong>der</strong> Bühne bis 21.00 Uhr. <strong>Die</strong><br />

Aufführung gilt als eine Attraktion, befriedigt aber we<strong>der</strong> das Publikum noch die <strong>Baul</strong>s<br />

selbst. <strong>Die</strong> eingeladenen <strong>Baul</strong>s geben sich in <strong>der</strong> Öffentlichkeit zufrieden, unter vier Augen<br />

äußern sie sich aber kritisch über das Komitee. <strong>Die</strong> <strong>Baul</strong>s fühlen sich in ihrer Freiheit eingeschränkt,<br />

weil das Komitee ihnen ein festes Programm vorschreibt. Im einzelnen besteht<br />

ihre Kritik aus folgenden Punkten:<br />

1. Purnadas <strong>Baul</strong> macht Geschäfte mit <strong>Baul</strong>-Lie<strong>der</strong>n, er kennt die Sorgen <strong>der</strong> <strong>Baul</strong>s nicht<br />

und kann deshalb die <strong>Baul</strong>-<strong>Gemeinschaft</strong> auch nicht repräsentieren.<br />

102 Über Nimbarkya-Asthiyal s. R.G. Bhandarkar: Vaisnavism, Saivism and Minor Religious Systems,<br />

Strassburg, 1913, 62-66<br />

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