Die Religion der Baul-Gemeinschaft
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Kapitel 1<br />
<strong>Baul</strong>s als Gesellschaftsmitglie<strong>der</strong><br />
<strong>Baul</strong>s sind Mitglie<strong>der</strong> einer <strong>Religion</strong>sgemeinschaft, die Caitanya (s. Kapitel 2) ihren Urguru<br />
nennt und seiner Lehre nach eigener Interpretation folgt. Sie sind heute im Bundesstaat<br />
West Bengal beheimatet. Vor <strong>der</strong> Unabhängigkeit Indiens im Jahre 1947 gab es auch im<br />
heutigen Bangladesh <strong>Baul</strong>s. Heute leben die <strong>Baul</strong>s im Bundesstaat West Bengal. <strong>Die</strong>ses<br />
Kapitel untersucht die Beson<strong>der</strong>heiten <strong>der</strong> <strong>Baul</strong>s, die ihnen eine individuelle Identität in <strong>der</strong><br />
indischen Gesellschaft verleihen.<br />
<strong>Die</strong> Kastenzugehörigkeit<br />
<strong>Die</strong> <strong>Baul</strong> sind fast ausschließlich Shudras und Kastenlose. Als Folge ihrer Kastenzugehörigkeit<br />
sind sie auch meistens Analphabeten. Manche <strong>Baul</strong>s, die meinen, daß ihren Kin<strong>der</strong>n<br />
es einmal besser gehen sollte als ihnen selbst, schicken sie zur Schule. Aber es ist nicht<br />
selbstverständlich, daß die Dorfgesellschaft es akzeptiert. Es ist vorgekommen, daß die<br />
Dorfgemeinschaft sich dagegen entschieden hat, daß ihre Kin<strong>der</strong> mit den Kastenlosen in eine<br />
Schule gehen. In solchen Fällen verweigert die Dorfschule dem <strong>Baul</strong>-Kind den Schul -<br />
besuch. 1 Es gibt einzelne <strong>Baul</strong>s, die ursprünglich zu einer <strong>der</strong> oberen Kasten gehörten. Ursprünglich<br />
deshalb, weil Je<strong>der</strong> aus den oberen Kasten, <strong>der</strong> in die <strong>Baul</strong>-<strong>Gemeinschaft</strong> eintritt,<br />
seine ursprüngliche Kaste verliert und zum Kastenlosen wird, da er gegen die kastenbezogenen<br />
Regeln verstoßen hat. Denn die Dharmashastras verbieten den Mitglie<strong>der</strong>n <strong>der</strong><br />
drei oberen Kasten den Umgang mit den Shudras und Kastenlosen. 2 . Hat man einmal seine<br />
Kastenzugehörigkeit verloren, ist die Rückkehr zum Elternhaus nicht mehr möglich. Denn<br />
in diesem Falle hätten auch die Eltern ihre Kastenzugehörigkeit verloren. <strong>Die</strong> soziale Sicherheit<br />
ist <strong>der</strong> einzige Grund, warum sie in diese <strong>Gemeinschaft</strong> eintreten. Als gewöhnlicher<br />
Bettler wird man oft abgewiesen, aber sobald man als ein religiöser Mensch auftritt, z. B. als<br />
Sadhu o<strong>der</strong> <strong>Baul</strong>, empfängt man Almosen und finanzielle Unterstützung bei Krankheitsfällen.<br />
Deshalb kommt es vor, daß hier und da ein Arbeitsloser aus <strong>der</strong> oberen Kaste in<br />
die <strong>Baul</strong>-<strong>Gemeinschaft</strong> eintritt, wie es z. B. bei Debidas <strong>Baul</strong> <strong>der</strong> Fall ist. Er, wohnhaft in<br />
Sãithiya, trat die in <strong>Gemeinschaft</strong> ein, als er wegen seiner schlechten Gesundheit seinen<br />
Arbeitsplatz verlor. Er wurde als Brahmane geboren. Jayadas <strong>Baul</strong>, wohnhaft Suripara,<br />
Bolpur, wurde in einer Brahmanenfamilie geboren. Nachdem er seine Stelle verloren hatte,<br />
trat er in die <strong>Baul</strong>-<strong>Gemeinschaft</strong> ein. Auch die ehemaligen Kriminellen ohne berufliche<br />
Perspektiven finden eine Zuflucht bei dieser <strong>Gemeinschaft</strong>. Santiram Das <strong>Baul</strong>, wohnhaft<br />
Mallarpur, war für seine kriminellen Tätigkeiten bekannt. Er wurde wegen eines Raubüberfalles<br />
verhaftet und bestraft. Nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis trat er in die <strong>Baul</strong>-<br />
<strong>Gemeinschaft</strong> ein.<br />
1 Siehe Krishnendu Das: The <strong>Baul</strong>s of Bengal, Calcutta, 2<br />
2 Vgl. z. B. Gautama-Dharmashastra XX, 2, Vashistha-dharmasutra I, 19-22<br />
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