Die Religion der Baul-Gemeinschaft
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2. Es dürften nicht nur die eingeladenen <strong>Baul</strong>s auf <strong>der</strong> Bühne singen, son<strong>der</strong>n alle, die es<br />
wollen, wie es beim Mela <strong>der</strong> <strong>Baul</strong>s üblich ist.<br />
3. Sie finden das Programm gezwungen und künstlich Sie möchten so lange und so viele<br />
Lie<strong>der</strong> singen, wie sie es wollen und nicht, wie das Komitee es bestimmt. Eine <strong>Baul</strong>-Frau<br />
sagte <strong>der</strong> Autorin: „Meine Seele ist nicht befriedigt, wenn ich nur zwei o<strong>der</strong> drei Lie<strong>der</strong><br />
singe.“<br />
<strong>Die</strong> selbständige Darstellung <strong>der</strong> <strong>Baul</strong>lie<strong>der</strong><br />
<strong>Die</strong> vom Komitee nicht eingeladenen <strong>Baul</strong>s lassen sich nicht dadurch stören, daß das Komitee<br />
sie ausschließt. Daher gibt es neben <strong>der</strong> organisierten Darstellung <strong>der</strong> Kultur <strong>der</strong> <strong>Baul</strong>-<br />
<strong>Gemeinschaft</strong> mehrere Zelte <strong>der</strong> <strong>Baul</strong>s, wo man sie in ihrer natürlichen Atmosphäre<br />
beobachten kann. Manche bauen kleine Zelte, an<strong>der</strong>e wohnen unter einem Baum. Wo sie<br />
auch wohnen, sie bilden immer eine Gruppe. Hier singen sie ihrer Lie<strong>der</strong> nach Herzenslust<br />
und zeigen so ihre Verehrung für Jayadeva, Caitanya, Krishna und Radha, an<strong>der</strong>e Götter<br />
und die Heiligen des Caitanya-Vaishnavismus. Es kommt vor, daß einer die Gruppe wechselt,<br />
aber kein <strong>Baul</strong> bleibt einsam. <strong>Die</strong> Gruppe kocht und ißt gemeinsam. Es wird rein vegetarisch<br />
gespeist. <strong>Die</strong> gemeinsame Mahlzeit hat im Caitanya-Vaishnavismus eine alte<br />
Tradition. Caitanya zwingte seine Anhänger aller Kasten miteinan<strong>der</strong> zu essen, damit die<br />
kastenbezogenen Vorurteile abgebaut werden konnte (s. Kapitel 2). Obwohl dieser Grund<br />
für die <strong>Baul</strong>s entfällt, da sie nicht zu unterschiedlichen Kasten gehören, ist die gemeinsame<br />
Mahlzeit bei einem Fest für sie obligatorisch. Auf die Frage, ob sie damit die Gleichberechtigung<br />
aller Menschen vor Gottes Auge demonstrieren wollten, antworteten die <strong>Baul</strong>s,<br />
sie praktizierten dieses Ritual, weil ihr Urguru Caitanya es so bepfohlen hätte. Hier beobachtet<br />
man die blinde Ausübung eines Rituals, das seinen ursprünglichen Grund verloren<br />
hat.<br />
Untersuchungsergebnisse<br />
Was die <strong>Baul</strong>s hier machen, religiöse Lie<strong>der</strong> singen und gemeinsam essen, um Jayadeva zu<br />
huldigen, könnten sie überall tun, also auch an ihren Wohnorten. Dennoch gibt es zwei<br />
Gründe, warum dieses Treffen für sie so wichtig ist, und warum sie am Jayadeva-kendulimela<br />
teilnehmen. <strong>Die</strong>se sind unten dargestellt.<br />
1. Das Dorf Kenduli ist ein Wallfahrtsort (tirtha) für die <strong>Baul</strong>s.<br />
Für die Vaisnavs ist Vrindavan <strong>der</strong> Hauptwallfahrtsort. 103 Im Vishnu-purana VI, 8 steht geschrieben,<br />
wenn jemand in Mathura (Vrindavan liegt in Mathura Distrikt) am zwelften Tag<br />
des Monats Jyaistha (Mai-Juni) im Fluß Yamuna badet erntet große Belohnung.<br />
<strong>Die</strong> Tatsache, daß die <strong>Baul</strong>s nach Kenduli fahren, um an einem festgelegten Tag dort mit<br />
Gesang und gemeinsamer Mahlzeit Jayadeva und an<strong>der</strong>en (s. oben) ihre Verehrung zu zeigen,<br />
ist ein Beweis dafür, daß sie in Anlehnung am klassischen Hinduismus, hier am Vaishnavismus,<br />
eine Pilgerfahrt nach Kenduli unternehmen.<br />
103 Über Vrindavan s. Debidas Bandyopadhyay: Caitanya-carcar pãcsho bachar, Kalikata, 1987, 146-148<br />
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