Die Religion der Baul-Gemeinschaft
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<strong>Die</strong> Theorie<br />
<strong>Die</strong> Untersuchung führt zu folgen<strong>der</strong> Theorie. <strong>Die</strong> <strong>Baul</strong>s, welche Shudras und Kastenlose<br />
sind und deshalb vom klassischen Hinduismus ausgeschlossen bleiben, haben eine selbständige<br />
religiöse Strömung im Rahmen des großen Überbegriffs Hinduismus entwickelt.<br />
<strong>Die</strong>se Strömung wird von <strong>der</strong> Autorin als die <strong>Religion</strong> <strong>der</strong> <strong>Baul</strong>-<strong>Gemeinschaft</strong> bezeichnet.<br />
<strong>Die</strong> zwei Eckpfeiler dieser <strong>Religion</strong> sind <strong>der</strong> Caitanya-Vaishnavismus und das Tantra. <strong>Die</strong><br />
<strong>Religion</strong> <strong>der</strong> <strong>Baul</strong>-<strong>Gemeinschaft</strong> nimmt zwar Inhalte vom klassischen Hinduismus, ordnet<br />
sich aber ihm nicht unter. Sie legt die Aussagen bzw. die Offenbarungen des klassischen<br />
Hinduismus nach eigenem Verständnis aus, was für einen Außenstehenden nicht zwingend<br />
ist. Auch die Moral dieser <strong>Religion</strong> ist eine an<strong>der</strong>e als sie in <strong>der</strong> Manu-smriti, dem maßgebenden<br />
Gesetzbuch <strong>der</strong> Hindus, dargestellt wir. Denn die Moral <strong>der</strong> <strong>Religion</strong> <strong>der</strong> <strong>Baul</strong>-<br />
<strong>Gemeinschaft</strong> legt nicht die klassische hinduistische Überzeugung zugrunde, daß die Interessen<br />
<strong>der</strong> Gesellschaft in den eigenen Handlungen <strong>der</strong>art zu berücksichtigen ist, daß im<br />
extremen Fall sogar die gesellschaftlichen Interessen zu Ungunsten eigener Interessen geför<strong>der</strong>t<br />
werden sollen (vgl. Manusmriti, III und X), son<strong>der</strong>n vertritt die Moral <strong>der</strong> individuellen<br />
Glückseligkeit. <strong>Die</strong> individuelle Glückseligkeit ist im individuellen Gotteserlebnis zu<br />
finden. Jedes Mittel, das dieses Zweck erfüllt, ist <strong>der</strong> <strong>Religion</strong> <strong>der</strong> <strong>Baul</strong>-<strong>Gemeinschaft</strong> recht.<br />
Deshalb versteht sie die Benutzung <strong>der</strong> Partnerin beim Tantrayoga nicht als einen<br />
moralischen Verstoß gegen die allgemeine Wertvorstellung. <strong>Die</strong> <strong>Religion</strong> <strong>der</strong> <strong>Baul</strong>-<strong>Gemeinschaft</strong><br />
ist auch eine Befreiungsbewegung. Im Gegensatz zu einer politischen Befreiungsbewegung<br />
versucht sie nicht, die Bedingungen im Umfeld zu verän<strong>der</strong>n, son<strong>der</strong>n für<br />
ihre Anhänger eine subjektive Welt zu schaffen, in <strong>der</strong> sie sich geborgen fühlen und die<br />
menschliche Würde bewahren konnen. Daher hat für die <strong>Baul</strong>s ihre <strong>Religion</strong> einen beson<strong>der</strong>en<br />
Stellenwert. Ohne ihre <strong>Religion</strong> könnten sie sich nicht als eine beson<strong>der</strong>e Gruppe organisieren<br />
und wären daher von den Slumbewohnern nicht zu unterscheiden. Ihre <strong>Religion</strong><br />
gibt ihnen die Identität, die sie von den gewöhnlichen Armen, denen die indische Gesellschaft<br />
keine Achtung entgegenbringt, unterscheiden.<br />
<strong>Die</strong> <strong>Baul</strong>-<strong>Religion</strong> ist ein Objekt, das die subjektive Welt einer <strong>Religion</strong>sgemeinschaft darstellt.<br />
Sie möchte es ihren Anhängern ermöglichen, das, was ihrer Meinung nach göttlich ist,<br />
in ihrem Körper und in dieser Welt zu erfahren. <strong>Die</strong>se <strong>Religion</strong> entspringt aus dem tiefen<br />
Glauben, daß <strong>der</strong> Mensch eigentlich zu einer höheren Gattung gehört und vergöttlicht so<br />
den Menschen. Sie meint, daß <strong>der</strong> Sinn des menschlichen Lebens nicht im menschlichen,<br />
son<strong>der</strong>n im spirituellen Leben besteht und setzt dies als das Ziel des Menschenlebens.<br />
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